Verfassungsrechtler Prof. Jens Kersten fordert dritte Verfassungsrevolution
Konkrete Vorschläge für eine ökologisches Grundgesetz
Die wichtigsten Vorschläge/Analysen des Aufsatzes von Prof. Jens Kersten in einer Zusammenfassung:
Eine Verfassung fürs Anthropozän
Die erste Verfassungsrevolution war das Ergebnis der Amerikanischen und Französischen Revolutionen im 18. Jahrhundert. Sie brachen den liberalen Verfassungsstaat, verbunden mit der Wirtschafts- und Eigentumsfreiheit der bürgerlichen Gesellschaft und ermöglichte die Industrialisierung, die zu einer sozialen Ausbeutung und Verelendung der Bevölkerung führte und den Kolonialismus befeuert. Die sich daraus ergebende soziale Frage führte zu einem Wandel des verfassungsrechtlichen Wirtschafts- und Eigentumsverständnisses, mit Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, mit der Anerkennung von Tarifautonomie und Mitbestimmung. Das Ergebnis der zweiten Revolution war also der Sozialstaat, der sich in der Bundesrepublik voll entfaltet hat. Jetzt stehe die Bundesrepublik vor einer dritten – ökologischen Revolution der Verfassungsordnung. .. Seit den 1970er Jahren wird über eine ökologische Revolution unserer Gesellschafts- und Verfassungsordnung diskutiert. Angesichts der anthropozänen Krisen kommt es nun darauf an, diese dritte Revolution in einem ökologischen Grundgesetz umzusetzen, ohne dabei die postkoloniale Frage aus den Augen zu verlieren.
Staatsziel Umweltschutz und das Leitbild Nachhaltigkeit haben versagt
Das Staatsziel Umweltschutz, das in 20a GG formuliert würde, habe sich nicht bewährt und reiche nicht aus. Kersten wirft die Frage auf: „Wie kann es sein, dass angesichts der desaströsen ökologischen Bilanz der Bundesrepublik das Staatsziel „Umweltschutz“ in den vergangenen dreißig Jahren keinerlei verfassungsrechtliche Rolle gespielt hat?“ Und seine Antwort lautet: „… das Staatsziel „Umweltschutz“ wendet sich ausschließlich „objektiv-rechtlich“ an den Staat. Die Bürgerinnen und Bürger können aus Art. 20a GG kein subjektives Recht auf Umweltschutz herleiten. Deshalb kennt das Grundgesetz bisher nur ein statisches Umweltverfassungsrecht „von oben“. Was wir aber brauchen, ist ein dynamisches Umweltverfassungsrecht „von unten“: Die Bürgerinnen und Bürger müssen durch ökologische Rechte die Möglichkeit erhalten, einen effektiven Naturschutz einzufordern und gegebenenfalls einzuklagen… Das Staatsziel „Umweltschutz“ ist aber nicht bloß statisch, es hat auch seine normative Steuerungskraft mit Blick auf die ökologische Langzeitverantwortung eingebüßt. Zwar nimmt die Regelung des Art. 20a GG mit dem Schutz der Natur auch – in Verantwortung für künftige Generationen – das Nachhaltigkeitsprinzip auf, das sich seit dem Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen von 1987 zu dem ethischen „Weltprinzip“ entwickelt hat. Doch zugleich muss man sich klarmachen: Das Nachhaltigkeitsprinzip schützt keineswegs die Natur als solche, sondern die nachhaltige Entwicklung.“
Was kommt nach der Nachhaltigkeit?
Das Prinzip Nachhaltigkeit hat für Kersten jegliche Glaubwürdigkeit verloren: „Wenn aber Nachhaltigkeit auf einen angemessenen Ausgleich von sozialen, ökonomischen und ökologischen Interessen zielt: Was ließe sich dann Nachhaltiges über das Artensterben und die Klimakatastrophe, über die Vermüllung der Meere und die „Entsorgung“ atomarer Brennelemente für eine Million Jahre sagen? Die fatale Antwort lautet: Nichts! Wir haben den Punkt längst verpasst, an dem das konservative Nachhaltigkeitsprinzip noch hätte greifen können, um die Natur zu schützen. Und deshalb stehen wir heute vor der zentralen Frage: Was kommt nach der Nachhaltigkeit?“
Bundesverfassungsgerichtes greift zu kurz und ist wegweisend
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe habe mit seiner Klima-Entscheidung vom 24. März 2021 einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Es beurteilte das Klimaschutzgesetz für verfassungswidrig, weil es „nicht freiheitsschonend“ auf die Generationen verteilt habe: „Die Richter leiten aus der Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Staatsziel „Umweltschutz“ (Art. 20a GG) ein neues Grundrecht auf „intertemporale Freiheitssicherung“ ab. Man kann dies auf die Formel bringen: Freiheitsrecht plus Staatsziel „Umweltschutz“ gleich intertemporale Freiheitssicherung.
Freiheitsrechte sind nicht die einzigen Grundrechte
Dieser neue grundrechtliche Ansatz lasse sich, so Kersten, verallgemeinern, um demokratische Langzeitverantwortung auf einer sehr viel breiteren Linie zu verwirklichen. Zumal das Gericht in seiner Klima-Entscheidung „nur“ auf die zukünftige Freiheitssicherung abgestellt hatte. Doch es gebe auch weitere Grundrechte, darunter Gleichheitsrechte und Teilhabeansprüche. Im Anschluss an dieses Urteil ließen sich daher auch Rechte auf intertemporale Gleichheits- und Teilhaberechte herleiten, mit Folgen für den Umgang mit natürlichen Ressourcen wie z.B. fossilen Brennstoffen, Erzen und Metallen. Ein weiteres Beispiel für einen intertemporalen Teilhabeanspruch ist nach Kersten das Recht auf Biodiversität, das dem exponentiell beschleunigten Artensterben entgegengesetzt werden könne.
Ökologische Grundrechte plus ökologisches Staatsorganisationsrecht
Diese Schwalbe macht nach Kersten aber noch keinen ökologischen Sommer und führe noch nicht zu einer ökologischen Verfassungsordnung. Das erfordere verfassungsrechtlich grundlegendere und umfassendere Ansätze, nämlich ein ökologisches Grundgesetz, das ökologische Grundrechte mit einem ökologisch ausgerichteten Staatsorganisationsrecht verbinde.
Die Verfassungen von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind schon weiter
Und er weist auf die Verfassungen von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt hin, die ökologisch sehr viel innovativer als die westdeutschen Landesverfassungen seien. Sie haben die ökologisch innovativen Anregungen der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung aufgenommen und die Eigentumsgarantie ausdrücklich unter den Vorbehalt des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen gestellt. Kersten drückt sein Bedauern darüber aus, dass „die Vorschläge der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung leider nicht berücksichtigt“ wurden und stattdessen 1994 die ökologisch und rechtlich folgenlose Staatszielbestimmung „Umweltschutz“ (Art. 20a GG) als Minimalkonsens beschlossen wurde.
Ökologische Grundrechte im Grundgesetz verankern – Freiheitsrechte begrenzen
Kersten schlägt vor, Grundrechte aus ökologischer Perspektive neu zu fassen und im Grundgesetz zu verankern. Dazu könnten z.B. das „Recht auf ökologische Integrität“ gehören, das eine intakte Umwelt und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen garantiere. Er bringt auch ein neues Grundrecht auf Umweltinformationen ins Gespräch. Vor allem aber erfordere die katastrophale Lage von Natur und Umwelt, die klassischen Freiheitsrechte aus Gründen des ökologischen Allgemeinwohls zu begrenzen. Kersten: „Dies sollte für die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) ausdrücklich geregelt werden, die dann nicht nur in den Grundrechten anderer und in der verfassungsmäßigen Ordnung, sondern auch im ökologischen Allgemeinwohl ihre gesetzliche Schranke findet. Diese ausdrückliche Regelung ökologischer Schranken für die Handlungsfreiheit stellt zugleich klar, dass auch andere Freiheitsrechte zur Gewährleistung des ökologischen Allgemeinwohls durch Gesetz beschränkt werden können, beispielsweise die Berufs- und Wirtschaftsfreiheit.“
Recht auf Eigentum, als ökologische Kernfrage
Kersten beschäftigt sich auch mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG). Kersten: „Denn das Eigentum ist ein individuelles Recht und zugleich auch eine Grundstruktur unserer Gesellschaft. Wir begegnen uns nicht nur als Personen, sondern auch mit unserem Eigentum. Darüber hinaus bildet das Eigentum in unserer kapitalistischen Wirtschaftsordnung den normativen Kern der Ökonomie, gerade auch wenn es um die Rechtfertigung von Eingriffen, den Verbrauch und die Zerstörung der Natur geht. .. Natur hat man zu haben!“, lautet seit 200 Jahren das anti-ökologische Prinzip unserer Wirtschaftsordnung. Deshalb wird immer wieder die Forderung erhoben, das Eigentum nicht nur aus Gründen der sozialen, sondern auch der ökologischen Gerechtigkeit abzuschaffen.“
Davon hält Kersten nicht viel. Er glaubt, wir können einen anderen Weg gehen, der sozial und ökologisch vielversprechender ist. Es komme vor allem darauf an, das Eigentum sozial und ökologisch neu zu gestalten. Schließlich rufe das Grundgesetz den demokratischen Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 explizit dazu auf, sowohl den Inhalt als auch die Schranken des Eigentums zu bestimmen. Kersten: „Der Gesetzgeber muss also nach dem Verständnis des Grundgesetzes das Eigentum keineswegs einfach hinnehmen, wie es ist, um sodann „nur“ dessen Gebrauch zu beschränken. Vielmehr geht das Grundgesetz davon aus, dass der Gesetzgeber bereits den Inhalt des Eigentums ausgestalten kann. Das Kriterium für diese inhaltliche Ausgestaltung und rechtliche Begrenzung des Eigentums wird in Art. 14 Abs. 2 GG ausdrücklich formuliert: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Dies sei im Kontext der zweiten juristischen Revolution stets im Sinne der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gedeutet worden. Im Zuge der ökologischen Verfassungsrevolution müsse jetzt neben die Sozialpflichtigkeit die „Ökologiepflichtigkeit“ des Eigentums gestellt werden. Kersten schlägt vor, den Art. 14 Abs. 2 GG beispielsweise wie folgt fassen: „Das Eigentum und sein Gebrauch sind insbesondere dem sozialen und ökologischen Wohle der Allgemeinheit verpflichtet.“
Eigentum verpflichtet: Für einen ökologiekonformen Markt
Der Gesetzgeber müsse bei der ökologischen Verfassungsreform folgenden Grundsatz beachten: Die eigentumsrechtliche Position sei verfassungsrechtlich umso stärker geschützt, je mehr sie auf der eigenen Leistung der Eigentümerin oder des Eigentümers beruhe. Der Gesetzgeber könne also darüber entscheiden, ob und welche Naturgüter eigentumsfähig sind. Fließgewässer und Grundwasser zum Beispiel gehörten schon heute zu den nicht eigentumsfähigen Gütern. Weitere könnten und sollten folgen.
Außerdem könne der Gesetzgeber für Natur als Eigentum festlegen, wie mit ihm umzugehen ist. Kerstens sagt voraus, dass die anstehende Diskussion um die ökologische Ausgestaltung der Eigentumsordnung umkämpft sein wird und ihre GegnerInnen marktkonforme Ökologie einfordern werden. Diesen gibt er folgendes zu bedenken: „Entweder wächst die Wirtschaft ökologisch, oder es wird keine Wirtschaft und kein Wachstum mehr geben, sondern nur noch Verwüstung und Elend. Kurzum: Es geht nicht um eine marktkonforme Ökologie, sondern um einen ökologiekonformen Markt.“
Natur als Rechtssubjekt
Kersten schlägt vor, noch einen Schritt weiterzugehen, und die Rechte der Natur ins Grundgesetz aufzunehmen. Denn Menschen und Wirtschaft verfügten über Grundrechte, die sie in die Lage versetzten, soziale und ökonomische Interessen zulasten der Natur durchzusetzen. Da sich die Staatszielbestimmung „Umweltschutz“ gegenüber sozialen und ökonomischen Interessen als zu nachgiebig erwiesen habe, sei es notwendig „juristische Waffengleichheit“ herzustellen. Dafür spreche nicht nur der Eigenwert der Natur, sondern auch der Wert der Natur für den Menschen.
Um die Rechte der Natur im Grundgesetz zu verankern, könnte man diese zum Beispiel in neuen 20b ff. GG.[21] verankern oder den in der Verfassung heute schon nahe gelegten Weg beschreiten, der sich Art. 19 Abs. 3 GG ergibt. Dieser legt fest, dass alle juristischen Personen (also auch GmbHs, Aktiengesellschaften und Stiftungen) sich auf die Grundrechte berufen können, die ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind, z.B. die Wirtschaftsfreiheit und auf die Eigentumsgarantie. Diese Möglichkeit eröffne sich dann auch für die juristische Person „Natur“, sobald diese als rechtsfähig anerkannt wurde.
Der Gesetzgeber wäre dann verpflichtet, die Vertretung und das Klagerecht der „natürlichen Personen“ auszugestalten. Es sei naheliegend, „Tiere individuell als ökologische Personen anzuerkennen, auf die dann beispielsweise das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit oder die Bewegungsfreiheit bzw. Freizügigkeit anwendbar sind. Bei Pflanzen könnte der Gesetzgeber unterscheiden: Im Fall von bedrohten Pflanzen liegt wie bei Tieren eine Anerkennung als individuelle Person nahe. Der Schutz von nicht bedrohten Pflanzenarten könnte demgegenüber als Teil eines Ökosystems erfolgen, also beispielsweise als Teil einer Landschaft oder eines Flusses, die ihrerseits als ökologische Personen anerkannt werden. Umweltmedien wie Luft, Klima oder Wasser lassen sich ebenfalls als juristische Personen anerkennen und ausgestalten.“
Wie die Natur vertreten werden könne, dafür gebe es viel denkbare Lösungen: Sie reichten von der individuellen Vertretung durch eine menschliche Person oder einen Verein bis zur Popularklage. Kersten: „Durch ökologische Personen wird sich unsere Rechtsgemeinschaft vergrößern; und wir können die sozialen, ökonomischen und ökologischen Konflikte, vor denen wir stehen, auf juristischer Augenhöhe fair austragen. Auf diese Weise entwickelt sich unsere liberale Gesellschaft über die Konflikte weiter, die sie selbst erzeugt. Durch die Rechte der Natur entsteht weitere Dynamik im Rechtssystem, die ebenfalls zur ökologischen Transformation unserer Gesellschaft beiträgt.“
Ökologisches Staatsorganisationsrecht
Spannend sind auch die weiteren Ausführungen von Prof. Kersten, in denen er darüber nachdenkt, wie sicher gestellt werden kann, dass die ökologischen Rechte im politischen Prozess auch aktiv wahrgenommen und effektiv umgesetzt werden: Das Staatsorganisationsrecht. Dies klinge zwar technisch, sei aber politisch von zentraler Bedeutung. Denn nur wenn das parlamentarische Regierungssystem für ökologische Rechte sensibilisiert werde, würden sie in den weiten gesetzgeberischen Abwägungsspielräumen nicht „verpuffen“. Seine Vorschläge:
- Verankerung der Ökologie als Staatsfundamentalnorm in Art. 20 Abs. 1 GG wie folgt verankern: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer, sozialer und ökologischer Bundesstaat.“ Kersten: „Damit gehört die Ökologie zur verfassungsrechtlichen DNA unserer Staatsorganisation, sodass sie die Arbeit der drei demokratischen Gewalten – Legislative, Exekutive und Judikative – bestimmt.“
- Auf dieser Grundlage gelte es dann, das parlamentarische Regierungssystem zu einem ökologischen Regierungssystem umzugestalten. Das Grundgesetz verpflichte allen zentralen Staatsorganen – Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat und Bundespräsident – dann dazu auch ökologische Aufgaben und Funktionen wahrzunehmen, und die ökologische Langzeitverantwortung des parlamentarischen Regierungssystems zu gewährleisten.
- Der Bundestag könne dann verpflichtet werden, einmal im Jahr eine ökologische Haushaltsdebatte zu führen, in der die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler die ökologischen Richtlinien der Politik erläutert und alle Bundesministerinnen und Bundesminister zu deren Umsetzung in ihrem Ressort parlamentarisch Rede und Antwort stehen.
- Der Umweltausschuss des Bundestags sollte künftig aus Bundestagsabgeordneten und einer gleichen Anzahl von ehrenamtlichen, stimmberechtigten Mitgliedern bestehen, die von anerkannten Naturschutzverbänden und der Nationalen Akademie der Wissenschaften vorgeschlagen und vom Bundespräsidenten ernannt werden. Auf diese Weise würde naturpolitischer und naturwissenschaftlicher Sachverstand unmittelbar in die Parlamentsarbeit integriert.
- Ein Naturbeauftragten solle, ähnlich wie Amt des Wehrbeauftragten, zu einer effektiven und professionellen Wahrnehmung ökologischer Kontroll- und Untersuchungsrechte des Parlaments beitragen.
- Das elektronische Petitionsrecht könnte so weiterentwickelt werden, dass auch ökologische Gesetzesvorschläge von Bürgerinnen und Bürgern ohne den riesigen Aufwand einer klassischen Volksinitiative über den Umweltausschuss in den Bundestag eingebracht werden könnten.
- Die Bundesumweltministerin erhält ein Widerspruchsrecht gegen alle Entscheidungen der Bundesregierung von ökologischer Bedeutung, das sich in Anlehnung an das Widerspruchsrecht der Bundesminister für Finanzen, des Innern und der Justiz ausgestalten lässt.
All diese Änderungen zusammengenommen, so Kersten, hätten zweifellos den Charakter einer Revolution.
Geht diese Transformation gewaltfrei?
Kersten ist skeptisch, ob diese Revolution gewaltfrei vonstattengehen werde. Allerdings sei das Anthropozän schon heute ein zutiefst gewalttätiges Zeitalter, verbunden mit dramatischer Ungerechtigkeit.
Kersten: „Für die Klimakatastrophe ist insbesondere der Globale Norden verantwortlich; ihre ökologischen Folgen schlagen sich dagegen vor allem im Globalen Süden nieder – als Verwüstung, Hunger und Migration. Darüber hinaus ist absehbar, dass anthropozänes Geoengineering zu internationalen Krisen bis hin zu bewaffneten Konflikten führen wird. In globaler Perspektive kann also von einer friedlichen ökologischen Transformation keine Rede sein. Angesichts dieser keineswegs friedlichen realen Entwicklung stellt sich die erforderliche dritte Revolution für die Gesellschafts- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik als eine regelrecht pazifizierende Entwicklung dar: Neben das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Ausdruck einer liberalen Gesellschaft ist, und das Sozialgesetzbuch (SGB), das die soziale Frage beantwortet, muss ein Ökologisches Gesetzbuch (ÖGB) treten, das unsere gesamte Gesellschaft ökologisch transformiert.“
Wer ist das revolutionäre Subjekt? Empfehlungen an die Jugend.
Verfassungsrechtliche Revolutionen hätten schon immer damit begonnen, dass Menschen ihre Rechte eingefordert haben. Die Bundesrepublik verfüge über eine höchst aktive Zivilgesellschaft, die ihre Meinung öffentlich kundtue.
Ein strategischer Aktivismus, der seine ökologischen Ziele tatsächlich erreichen wolle, müsse heute ökologische Rechte aktiv einfordern. Kersten Empfehlung an Fridays for Future lautet daher: „Verlangt ökologische Rechte und studiert Jura, um dann unsere Verfassungsordnung ökologisch zu transformieren, ja zu revolutionieren – und das ökologische Grundgesetz für das 21. Jahrhundert zu schreiben.“
Quelle: Blätter für Deutsche und Internationale Politik, Ausgabe Juni
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