Für eine Erde mit Rechten: UN-Versammlung „Harmony with Nature“ zum Mother Earth Day

Der 22. April ist der Mother Earth Day: Für ein 21. Jahrhundert der Öko-Jurisprudenz
Vor 17 Jahren, am 22. April 2008, wurde anlässlich des zehnjährigen Bestehens des „Haus der Zukunft“ in Hamburg die „Flagge der vereinten Natur“ gehisst. Diese Flagge zeigt, worauf es heute mehr denn je ankommt: Der Mensch steht nicht über der Natur. Er ist Teil der Gemeinschaft aller Lebewesen. Wir brauchen Frieden mit der Natur statt Zerstörung, Ausbeutung oder einen immer aggressiver werdenden weltweiten Kampf um die letzten Ressourcen. Wir brauchen die Anerkennung der Rechte der Natur. Wir brauchen ein Jahrhundert der Öko-Jurisprudenz. Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=iYS0mCs4FVM
Die Rights-of-Nature-Bewegung ist heute die am schnellsten wachsende juristische Initiative der Welt. So wie einst die Menschenrechte im Zentrum der sozialen Bewegungen standen, müssen wir heute anerkennen, dass die Rechte der Natur als notwendige Voraussetzung für Menschenrechte und Menschenwürde gelten müssen.
Die UNO-Vollversammlung hat mit ihrer „Harmony with Nature“-Erklärung und den nachfolgenden Beratungen den Übergang von einem anthropozentrischen Recht zu einem „Eco-Jurisprudence“-Ansatz gefordert.
Ein Recht, das den intrinsischen Wert der Natur anerkennt. Ein Recht, das eine Haltung der „Klugheit“, „Umsicht“ und „Weisheit“ im Umgang mit der Natur walten lässt. Der Begriff Eco-Jurisprudence appelliert an die menschliche Fähigkeit, in schwierigen oder riskanten Situationen überlegt, vernünftig und vorausschauend zu handeln. Die Anerkennung des Rechts der Natur auf Leben und Wiederherstellung geht einher mit der Anerkennung der Notwendigkeit, alle rechtlichen und ökonomischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir den „sicheren Raum“, in dem die Menschheit eine lebenswerte Zukunft hat, nicht immer weiter überschreiten.
Die bereits 1998 gegründete Biokratie-Initiative von Dr. Georg Winter ist inzwischen zu einem deutschlandweit aktiven zivilgesellschaftlichen Netzwerk für die Rechte der Natur herangewachsen.
Am diesjährigen „Mother Earth Day“ wird die Flagge der vereinten Natur von deutschen Vertreter*innen der Rechte-der-Natur-Bewegung erstmals auch bei der UNO-Versammlung „Rechte der Natur“ gehisst. Es ist ein Symbol und eine sehr einfach zu verstehende Botschaft: Der Mensch steht weder außerhalb noch über der Natur. Er ist Teil der Natur.
In der Erklärung, die die Vertreterinnen der deutschen Zivilgesellschaft im Rahmen der UNO-Sitzung abgeben dürfen, betonen sie:
„Unsere Bemühungen wurzeln in der Allgemeinen Erklärung der Rechte von Mutter Erde, die 2010 auf der Weltkonferenz der Völker in Bolivien verabschiedet wurde. Vereint mit indigenen, ländlichen und städtischen Aktivist*innen auf der ganzen Welt sehen wir, was offensichtlich ist: Dass nichts getrennt ist; unser Engagement ist so vernetzt wie die Erdsysteme, die wir für zukünftige Generationen von Menschen und Nicht-Menschen erhalten wollen.“
Die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedstaaten erkennen seit vielen Jahren die Notwendigkeit an, die Beziehung zwischen Menschen und Natur neu zu definieren. Die Resolution A/RES/79/210 (…) und der Bericht A/79/253 (…) zeigen, dass dieser Paradigmenwechsel durch Bildung, Gesetzesreformen, internationale Zusammenarbeit und die Einbindung indigener Perspektiven vorangetrieben wird.
Konkrete Schritte wie das Kunming-Montreal-Framework, nationale Gesetze zur Anerkennung der Natur als Rechtssubjekt und multilaterale Dialoge zielen darauf ab, eine Zukunft zu schaffen, in der Mensch und Natur in Harmonie leben. Dieser Wandel erfordert nicht nur politisches Handeln, sondern auch einen kulturellen Wandel hin zu mehr Respekt für die intrinsischen Rechte der Natur und den Übergang zu einer Eco-Jurisprudence.
Christian Cray (Netzwerk Rechte der Natur e. V.), Hans Leo Bader (Volksbegehren „Rechte der Natur“), Riccarda Flemmer (Universität Tübingen) und Janina Reimann (Universität Kassel) werden die deutsche Zivilgesellschaft bei dieser „Harmony with Nature“-Versammlung vertreten.
Christian Cray wird folgende Erklärung für das Netzwerk Rechte der Natur einbringen:
Sehr geehrte Delegierte, Exzellenzen und Kolleginnen und Kollegen,
es ist mir eine Ehre, als Vertreter des deutschen Netzwerks für die Rechte der Natur vor dieser Versammlung zu sprechen.Deutsche Naturschutzrechtsinitiativen, -gruppen und zivilgesellschaftliche Akteure setzen sich mit Nachdruck für die Idee ein, Ökosystemen, Tier- und Pflanzenarten Rechtspersönlichkeit zu verleihen. Was uns verbindet, ist der Wille, sowohl den rechtlichen Status der Natur aufzuwerten als auch uns selbst wieder mit dem Lebendigen in der Welt zu verbinden. Das Netzwerk Rechte der Natur führt in Deutschland die Diskussionen, Aktivitäten und Projekte, die sich mit den Rechten der Natur beschäftigen, zusammen. Es dient dem Austausch und der Koordinierung.
Inspiriert hat uns im letzten Jahr die Entscheidung des Landgerichts Erfurt vom August 2024, in der der Richter die Natur als Rechtssubjekt aus der Europäischen Grundrechtecharta ableitete. Dementsprechend können die Naturrechte bereits als Teil des bestehenden europäischen Rechtssystems angesehen werden. Wir verfolgen das Ziel einer Grundgesetzreform, die Grundrechte auch für nicht-menschliche Personen vorsieht. Und wir suchen nach Wegen, um auf dem Klageweg die Integration der Rechte der Natur in das geltende Recht zu befördern.
Es gibt in Deutschland lokale Initiativen, die dies fördern, indem sie Volksabstimmungen organisieren, die Flüssen eigene Rechte einräumen sollen. In Bayern wird mit einem Volksentscheid eine Änderung der Landesverfassung angestrebt, die die Anerkennung der Rechte der Loisach vorsieht, in Berlin setzt sich eine andere Initiative für die Rechte der Spree ein. Und eine grenzüberschreitende Gemeinschaft von Umweltschützer*innen und Anwält*innen aus Deutschland und Polen setzt sich dafür ein, dass die Oder als juristische Person anerkannt wird.
Der Schlüssel zum Erfolg ist jedoch die europäische und globale Vernetzung: Gemeinsam mit Initiativen aus sieben Ländern bereiten wir uns darauf vor, eine Europäische Bürgerinitiative für die Rechte der Natur zu starten – mit dem Ziel, das Europäische Parlament dazu zu bringen, das Thema aufzugreifen. Darüber hinaus sind wir eng mit der Global Alliance for the Rights of Nature vernetzt. Als europäische Drehscheibe der Globalen Allianz werden wir im Juni 2025 an der UN-Ozeankonferenz in Nizza teilnehmen. Wir tauschen uns mit unseren spanischen Freunden aus dem Mar Menor und mit den indigenen Sámi in Skandinavien über Best-Practice-Konzepte aus.
Doch all unsere Bemühungen wurzeln in der Allgemeinen Erklärung der Rechte von Mutter Erde, die 2010 auf der Weltkonferenz der Völker in Bolivien verabschiedet wurde. Vereint mit indigenen, ländlichen und städtischen Aktivist*innen auf der ganzen Welt sehen wir, was offensichtlich ist: Dass nichts getrennt ist; unser Engagement ist so vernetzt wie die Erdsysteme, die wir für zukünftige Generationen von Menschen und Nicht-Menschen erhalten wollen.