Tierrechte zwischen Mitgefühl & Paragrafen: Ein transatlantischer Vergleich der Tierrechte in einer amerikanischen und europäischen Erklärung

Zwei  Eichhörnchen stehen sich aufrecht gegenüber, dazwischen eine realistische Weltkugel. Das linke Eichhörnchen hält ein Dokument mit der amerikanischen Tierrechtserklärung, das rechte eines mit der europäischen Erklärung. Beide blicken ernst, aber freu
Ein transatlantischer Vergleich der Tierrechte in einer amerikanischen und europäischen Erklärung

Tierrechte und die unterschiedliche Betrachtung in der Deklaration der Tierrechte von 2011 und Europäischen Erklärung der Tierrechte von 2025. Es soll der Versuch unternommen werden die beiden Ansätze zu vergleichen, weshalb die beiden Texte vorweg stehen. Von Helmut Scheel.

Die Deklaration der Tierrechte (USA)

SEIT ANBEGINN DER MENSCHHEIT gibt es eine Gruppe, die derart missbraucht und marginalisiert wird, dass ihr Leid in unserem täglichen Leben tief verwurzelt ist. Wenn Tiere frei sprechen könnten, würde der Chor ihrer Schreie jeden anderen Laut dieser Welt übertönen. Wir sind alle Tiere. Wir sind alle lebende, atmende Lebewesen, die sich dieselbe Erde teilen. Wir alle fühlen Schmerz und Leiden, wenn wir verletzt, oder unseres Lebens, unserer Familien, unserer Freiheit beraubt werden. Wir haben alle das Recht, Güte, Mitgefühl und Würde zu erfahren. Wir glauben an die Verwandtschaft aller Lebewesen, und an die Möglichkeit für uns in Frieden und Harmonie auf dem Planeten Erde miteinander zu leben.

IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass alle Lebewesen auf dem Planeten Erde ursprünglich von derselben Quelle stammten und den gleichen evolutionären Prinzipien folgten;
IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass alle Lebewesen auf dem Planeten Erde, die gleichen Länder, die gleichen Gewässer, die gleiche Luft bevölkern und sie und ihre Ressourcen aufgrund dessen teilen, um darauf und davon zu leben in dem sie ein einziges ökologisches System bilden;
IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass alle Lebewesen die gleichen Grundbedürfnisse haben: zu überleben, nach Glück und Freude zu streben und Schmerz zu vermeiden, sich wohlzufühlen, sich fortzupflanzen, Familien und andere soziale Strukturen zu bilden;
IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass alle Lebewesen, soweit es der Menschheit bekannt ist, fühlende Wesen sind und deswegen Schmerz, Freude, Empfindungen, Gefühle und Emotionen wahrnehmen können;
IN ANBETRACHT DER TATSACHE, dass die menschliche Spezies nur eine unter Milliarden Tieren ist, und aus einer Minderzahl besteht im Vergleich zu den Milliarden Tieren auf diesem Planeten;

VERKÜNDEN WIR HIERMIT:

  1. Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich, dass alle Lebewesen gleich geschaffen sind und ein Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach ihrem Glück haben.
  2. Deswegen haben alle Tiere das gleiche natürliche Recht zu existieren wie jedes andere Lebewesen.
  3. Alle Tiere haben das Recht auf Freiheit, ihr Leben nach ihren eigenen Bedingungen zu leben, wie von der Natur beabsichtigt.
  4. Alle Tiere haben das Recht zu essen, zu schlafen, sich körperlich und seelisch wohlzufühlen, beweglich, gesund, in Sicherheit zu sein und all ihre natürlichen und essenziellen Bedürfnisse zu erfüllen. Dementsprechend sollen alle Tiere frei von Hunger, Durst und Mangelernährung sein; frei von körperlichem Unwohlsein und Erschöpfung sein; frei von Einsperrung gegen ihren Willen, schlechter Behandlung, missbräuchlichen oder grausamen Taten sein; frei von Schmerz, Verletzung und Krankheit sein; frei von Angst und Not sein; und frei sein ihre normalen Verhaltensmuster auszudrücken.
  5. Alle Tiere haben das Recht sich fortzupflanzen, mit ihrem Nachwuchs, ihren Familien, Stämmen oder Gemeinschaften zu leben, und ein natürliches soziales Leben aufrechtzuerhalten. Sie haben das Recht in ihrer natürlichen Umgebung zu leben, in dem natürlichen Rhythmus ihrer Spezies zu wachsen, und ein Leben aufrechtzuerhalten, dass ihrer natürlichen Lebensdauer entspricht.
  6. Tiere sind nicht das Eigentum oder die Ware von Menschen, und gehören ihnen nicht um sie für ihre eigenen Zwecke zu benutzen oder ihnen als Nahrung zu dienen. Aus diesem Grund sollten sie frei von Sklaverei, Ausbeutung, Unterdrückung, Schikanierung, Brutalität, Missbrauch und jeder anderen Behandlung, die ihre Sicherheit, ihren eigenen freien Willen und ihre Würde missachtet. Sie sollten nicht für Nahrung geschlachtet, für ihre Haut getötet, für Experimente benutzt, aus religiösen Gründen getötet, für erzwungene Arbeit benutzt, missbraucht und aus Sport und zur Unterhaltung umgebracht, für kommerziellen Profit missbraucht, für das Vergnügen, den Bedarf oder andere Zwecke der Menschen, gejagt, verfolgt oder vernichtet werden.
  7. Menschen sollten alles tun, was in ihrer Macht steht, um alle Tiere zu schützen. Jedes Tier, das von einem Menschen abhängig ist, hat das Recht auf ordentliche Nahrung und Pflege und darf nicht vernachlässigt, allein gelassen oder umgebracht werden.
  8. Tiere, die gestorben sind, müssen mit Respekt und Würde behandelt werden, ebenso wie es Menschen widerfährt.
  9. Wir fordern den Schutz dieser Rechte. Sie müssen per Gesetz anerkannt und geschützt werden, wie es für Menschenrechte gilt. Jede Handlung, die das Wohl oder das Überleben eines Tieres oder einer Spezies kompromittiert, beziehungsweise gefährdet, ihm widerspricht oder es der oben aufgeführten Rechte beraubt, sollte als Verbrechen erachtet und dementsprechend verurteilt und bestraft werden.
  10. Somit wird diese Erklärung am Sonntag, dem 05. Juni 2011, dem ersten nationalen Tag der Tierrechte, in der Stadt von New York, Vereinigte Staaten von Amerika, UNTER ZEUGEN unterschrieben.

(German translation made by Wanda Hausmann, and edited by Ute Hopfgartner and Oliver Gruber)

Europäische Erklärung der Tierrechte

PRÄAMBEL

In Anbetracht der grundlegenden Kontinuität aller Lebensformen, von der einfachsten bis zur komplexesten, wobei ihre Differenzierung das Ergebnis einer allmählichen und fortschreitenden Evolution ist;
Unter Hinweis darauf, dass Empfindungsvermögen sowie kognitive Fähigkeiten Interessen hervorrufen, die die Grundlage unveräußerlicher Rechte bilden, die bereits zum Wohl der Menschen anerkannt und geschützt sind;
Hervorhebend, dass ein umfassender Schutz der Interessen aller Lebewesen, ob menschlich oder nicht-menschlich, notwendig ist, auch wenn sie nicht über dieselben Fähigkeiten verfügen oder diese in unterschiedlichem Maße besitzen;
In Anbetracht dessen, dass die Missachtung oder Verachtung der Interessen der Tiere und der sich daraus ergebenden Rechte dazu geführt hat, sowohl die an ihnen begangenen Gewalttaten und Grausamkeiten als auch ihre übermäßige Ausbeutung zu banalisieren, sowie die Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels für sie und ihre wechselseitigen Beziehungen zur Flora zu verstärken;
Unter Berücksichtigung der moralischen Eigenschaften der menschlichen Spezies, ihrer Stellung in der Welt und der Verantwortung, die sie gegenüber dem Leben trägt;
Gestützt auf die tiefe Überzeugung, dass sich die Situation der Tiere verbessern kann und muss, ohne dass der Schutz der Integrität der menschlichen Person geschwächt wird;
Feststellend, dass der Schutz der Tiere innerhalb der Europäischen Union, des Europarats und in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten dieser internationalen Organisationen zunimmt;
Bekräftigend, dass dieses europäische Erbe an Idealen und Werten gefestigt werden muss und dass ein europäischer Konsens für eine schrittweise Erhöhung des Schutzniveaus der Tiere erkennbar werden soll;

Wird Folgendes verkündet:


TITEL I – DIE VERBOTE

GRAUSAMKEITEN

Artikel 1
Kein Tier darf einer Grausamkeit ausgesetzt oder unterworfen werden.
Eine Grausamkeit gegenüber einem Tier liegt entweder in der Freude am Zufügen von Leid oder in der Gleichgültigkeit gegenüber der extremen Intensität des ihm zugefügten Leidens, Schmerzes oder der Angst.
Artikel 2Als Grausamkeit gilt insbesondere:

  • das absichtliche Verlassen eines Haustieres, eines gezähmten oder in Gefangenschaft gehaltenen Tieres;
  • jede Schlachtung, die ohne vorherige Betäubung vor der Blutentnahme erfolgt;
  • jede Handlung mit dem Ziel, das Leben eines Tieres zu nehmen, die nicht zu seinem sofortigen Tod führt;
  • jedes absichtlich zugefügte Leid an einem Tier, das zu Unterhaltungszwecken vorgeführt wird;
  • jede Weigerung, alternative Methoden zur Tötung invasiver Tiere, mutmaßlich ansteckender Tiere oder zu Versuchszwecken genutzter Tiere zu erforschen, zu entwickeln oder anzuwenden.

MISSHANDLUNG

Artikel 3
Kein Tier, das ganz oder teilweise seiner natürlichen Freiheit beraubt ist, darf unter Bedingungen gehalten werden, die mit den biologischen und verhaltensbedingten Erfordernissen seiner Art unvereinbar sind, insbesondere im Hinblick auf Hygiene, Gesundheit, Ernährung, Wasserzufuhr, Unterkunft, Bewegung und soziale Bedürfnisse.
Die Haltung eines Tieres unter solchen Bedingungen gilt als Misshandlung.

Artikel 4
Jedes Tier, das der Mensch als Begleiter gewählt hat, das ihm gedient hat, zur Erweiterung seines Wissens oder zur Stärkung seiner Sicherheit beigetragen hat, muss eine Lebensdauer haben, die seiner natürlichen Langlebigkeit entspricht, unter Bedingungen, die sein Wohlbefinden gewährleisten.

 

Artikel 5
Die emotionale Bindung zwischen einem Menschen und einem Tier muss im Interesse des Tieres unter Bedingungen aufrechterhalten werden können, die mit den biologischen und verhaltensbedingten Erfordernissen seiner Art vereinbar sind.

BETÄUBUNG

Artikel 6
Jegliche wissenschaftliche Forschung und Experimente, die darauf abzielen oder zur Folge haben, Tiere dauerhaft unempfindlich zu machen, sind verboten.

TITEL II – ERHALTUNG

Artikel 7
Kein Tier darf aus seinem natürlichen Lebensraum entfernt werden, es sei denn, um ihm Pflege zukommen zu lassen oder es in ein Schutzgebiet, eine Reserve oder einen anderen geeigneten Ort zu überführen, um sein Überleben und das seiner Art zu sichern.

Artikel 8
Wildtiere müssen in der Lage sein, ihre biologischen Zyklen, Prozesse und Wechselwirkungen sowohl innerhalb von Populationen als auch zwischen Individuen ungestört zu entfalten.
Sie müssen die erforderlichen ökologischen Verbindungen für ihre Bewegungen nutzen können.
Sie müssen in einer ausgewogenen, nicht verschmutzten und nicht durch menschliche Aktivitäten kontaminierten natürlichen Umgebung leben können.

Artikel 9
Die Staaten sind verpflichtet, das Aussterben von Tierarten, die in natürlicher Freiheit leben, zu verhindern.
Bei Beeinträchtigungen einer Wildtierart und den daraus resultierenden Verlusten an biologischer Vielfalt ist vorrangig eine Wiederherstellung in der Natur anzustreben.

TITEL III – RECHTLICHER STATUS

Artikel 10
Der rechtliche Schutz von Tieren muss nicht nur strafrechtlich und verwaltungsrechtlich, sondern auch zivilrechtlich und verfassungsrechtlich gewährleistet sein.
Das Tier muss in der Lage sein, vor Gericht vertreten zu werden.

Artikel 11
Die Anerkennung einer eigenen Rechtspersönlichkeit für Tiere mit differenzierten Rechten ist als ein bevorzugtes Mittel zur Erreichung der in dieser Erklärung festgelegten Ziele anzusehen. Diese besondere Rechtspersönlichkeit darf nicht dazu führen, dass Tieren Pflichten oder Verpflichtungen im Gegenzug für die ihnen gewährten Rechte auferlegt werden.

Artikel 12
Wild lebende Tiere, die in natürlicher Freiheit existieren, können als Bestandteile der Natur oder als totemistische Arten eine eigene Rechtspersönlichkeit mit spezifischen Rechten erhalten.

Artikel 13
Es wird angestrebt, dass der rechtliche Schutz der Tiere durch eine unabhängige Verwaltungsbehörde mit dem Namen Tierschutzbeauftragter sichergestellt wird.

TITEL IV – BILDUNG

Artikel 14
Respekt gegenüber Tieren muss Kindern von klein auf vermittelt werden und in allen Bildungsprogrammen von der Schule bis zur Universität eine bedeutende Rolle spielen.
Schul-, Universitäts- und Berufsausbildungen, die auf einen direkten oder indirekten Umgang mit Tieren vorbereiten, müssen Module zur Sensibilität für Tiere und zu den spezifischen Bedürfnissen der jeweiligen Arten enthalten.

Vergleich der Erklärungen

Die beiden Texte unterscheiden sich in mehreren wesentlichen Punkten:

Rechtliche vs. moralische Ausrichtung

  • Die "Europäische Erklärung der Tierrechte" ist ein juristisch geprägtes Dokument mit konkreten Vorschlägen für Gesetzesänderungen und -anpassungen. Sie betont die Notwendigkeit einer klaren rechtlichen Schutzstellung für Tiere, bis hin zur Möglichkeit einer eigenen Rechtspersönlichkeit für bestimmte Tiere oder Tiergruppen.
  • Die "Deklaration der Tierrechte" ist eher eine moralische und ethische Erklärung. Sie stellt Tiere in einen philosophischen und spirituellen Kontext, betont Gleichheit und Mitgefühl und lehnt sich in ihrer Formulierung an die Menschenrechte an.

Struktur und Sprache

  • Die "Europäische Erklärung der Tierrechte" ist strukturiert in verschiedene Titel und Artikel, ähnlich einer Verfassung oder einem Gesetzestext. Die Sprache ist sachlich und juristisch.
  • Die "Deklaration der Tierrechte" verwendet eine emotionale, fast poetische Sprache und ist eher an eine allgemeine Leserschaft gerichtet.

Grundannahmen über Tiere und Menschen

  • Die "Europäische Erklärung" erkennt zwar die Sensibilität und kognitiven Fähigkeiten von Tieren an, betont aber die Verantwortung des Menschen, basierend auf seiner moralischen und gesellschaftlichen Stellung.
  • Die "Deklaration der Tierrechte" hebt stark hervor, dass Menschen auch Tiere sind und dass alle Lebewesen auf demselben Niveau stehen.

Konkretisierung von Rechten und Pflichten

  • Die "Europäische Erklärung" enthält klare Verbote (z. B. gegen Grausamkeit, Misshandlung, unnötiges Töten) und beschreibt spezifische Verpflichtungen für den Menschen.
  • Die "Deklaration der Tierrechte" formuliert allgemeine Prinzipien, die als moralische Grundsätze dienen sollen, aber keine konkreten rechtlichen Mechanismen zur Durchsetzung enthalten.

Hintergrund und Zielsetzung

  • Die "Europäische Erklärung" stammt aus einem juristischen und wissenschaftlichen Kontext und verfolgt das Ziel, den rechtlichen Status von Tieren in Europa zu verbessern.
  • Die "Deklaration der Tierrechte" scheint eher aus einem aktivistischen und philosophischen Hintergrund zu kommen und richtet sich an eine breitere, emotionale Bewegung für Tierrechte.

Fazit

Die "Europäische Erklärung der Tierrechte" will einen rechtlichen Wandel herbeiführen und enthält konkrete Maßnahmen, während die "Deklaration der Tierrechte" eine moralische Vision formuliert, die ein universelles Gleichheitsprinzip zwischen allen Lebewesen betont.
Helmut Scheel 17.03.2025

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