PETA: Tiere müssen ihre Rechte einklagen dürfen
Tiere sind auch nur Menschen und umgekehrt
(cax) November 2019, Berlin. Unter Speziesismus versteht man eine Weltanschauung, die eine strenge Grenzen zwischen menschlichen Lebewesen und anderen Spezies zieht und so begründet, warum nichtmenschliche Lebewesen „unmenschlich“ behandelt werden dürfen. Eine Annahme, die von immer mehr WissenschaftlerInnen in Frage gestellt wird. Die Verhaltensbiologie beweist mit immer mehr Experimenten, dass Tiere nicht nur fühlende, sondern auch sprechende Wesen sind. Dass sie dem Menschen in weit ähnlicher sind, als es manch einem gefällt und vielleicht manchmal moralisch überlegen.
Je mehr wir über Tiere wissen, desto unverständlicher wird unser Umgang mit ihnen. Auch wenn es inzwischen Tierschutzgesetze gibt, ändert dies nichts daran, dass sie wie Sachen behandelt werden dürfen, dass sie Eigentum sein können ohne eigene Recht.
Die PETA-Tierrechtstagung 2019, die am diesjährigen Welt-Veganer-Tag in Berlin stattfand, war eine hervorragende Gelegenheit sich mit dem Stand der Tierrechtsdebatte vertraut zu machen. Auch Dr. Georg Winter war der Einladung von PETA gefolgt, nahm die Gelegenheit wahr, sich über die Rechte der Natur mit dem PETA Vorstand auszutauschen.
Dr. Georg Winter (Mitte) im Gespräch mit Harald Ullmann (2. Vorsitzender PETA Deutschland) und Gesa Heinrich, Haus der Zukunft Hamburg
Der Speziesismus wurde aus theologischer, verhaltensbiologischer, philosophischer und rechtswissenschaftlicher Sicht untersucht und zur Diskussion gestellt. Theorie und Praxis des Tierschutzes aus vielen Perspektiven beleuchtet.
PETA Gründerin Ingrid Newkirk eröffnete die Tagung mit einem Video-Grußwort. Sie verdeutlichte an sehr bewegenden Geschichten, wie falsch die Grundannahmen des Speziesismus ihrer Ansicht nach sind und ließ die Zuhörer an einigen kurzen Geschichten teilhaben, die deutlich machten, mit welch ausgeprägten Persönlichkeiten wir es oft zu tun haben, wenn wir Tieren begegnen. Sie berichtet über die jüngsten Erfolge von PETA im weltweiten Kampf für den Tierschutz und Tierrechte und appellierte an die TeilnehmerInnen den Kampf um die Anerkennung von Tieren als nichtmenschliche Personen mit eigenen Rechten fortzuführen.
„Eine Welt in der wir uns nicht schämen müssen, Mensch zu sein und in der Tiere entsprechend ihrer Würde und Bedürfnisse leben können.“
Mark Benecken, seines Zeichens Kriminalbiologe und vielen aus Film- und Fernsehen bekannt, moderierte souverän und sehr unterhaltsam die PETA-Tagung. Der aktive Tierschützer und Veganer gab zu Beginn der Tagung auch einen kurzen Einblick in sein Seelenleben und die Motive für sein PETA-Engagement. Die Bekanntschaft mit einem Oktopode hätte ihn schon vor vielen Jahren von der Idee geheilt, dass der Mensch das Recht habe, Tieren zu schaden. Als er und seine Kollegen sich von den Oktopoden verabschieden mussten, mit denen sie („nur freundliche“) verhaltensbiologische Experimente durchgeführt hatten, seien ihnen die Tränen gekommen. So sehr waren ihnen die beeindruckenden Oktopoden-Persönlichkeiten, mit denen sie zu tun hatten, ans Herz gewachsen. Er wünsche sich jedenfalls „eine Welt, in der wir uns nicht mehr schämen müssen, ein Mensch zu sein und in der Tiere entsprechend ihrer Würde und Bedürfnissen leben können.“
„Wenn wir sagen, dass Tiere trauern, dann bedeutet es nicht, dass wir Tiere vermenschlichen. Es bedeutet nur, dass wir diese Fähigkeit teilen.“
Der Mensch ist viel tierischer als wir denken und das Tier viel menschlicher als wir es uns vorstellen können
Der Meeresbiologe und erfolgreiche Autor Karsten Brensing ging dem Speziesismus aus verhaltensbiologischer Sicht nach und entkräftete die These, dass Mensch und Tier ganz anders funktionieren. Er rückte die Vorstellung vom „rationalen“ Menschen und dem „instinktgesteuerten“ Tier zurecht. Der Mensch sei viel mehr über Emotionen und biochemische Prozesse gesteuert, als er es wissen möchte. Und die nicht-menschlichen Mitbewohner unserer Erde, die wir Tiere nennen, seien sehr viel empfindsamer und klüger (menschlicher?) als wir denken und mit erstaunlichen intellektuellen Fähigkeiten ausgestattet.
„Die Wissenschaft hat jahrzehntelang den Instinkt gesucht und nicht gefunden“
Brensing: „Die Wissenschaft hat jahrzehntelang den Instinkt gesucht und nicht gefunden.“ Wir wissen aber heute, dass unser Denken und Handeln, in weiten Teilen vom endokrinischen System gesteuert wird. Selbst so lebenswichtige Entscheidungen wie die Partnerwahl treffen wir auch mit dem Geruchssinn. Brensing: „Immerhin war es in der menschlichen Evolution viel wahrscheinlicher an einem Infekt zu sterben, als vom Löwen gefressen zu werden.“ Es handle sich um ein Steuerungsmechanismus, der über 500 Millionen Jahre alt sei.
Auf der anderen Seite sei inzwischen bewiesen, dass Tiere nicht nur denken, sondern auch über sich selbst nachdenken könnten, dass sie ein moralisches Empfinden haben und zwischen „gut“ und „böse“ unterscheiden.
Auch Ingrid Newkirk hatte zuvor auf ein Experiment hingewiesen, bei dem Affen sich geweigert hatten gegen eine Belohnung anderen – ihnen unbekannte Artgenossen – mit Stromschlägen Schmerzen zuzufügen. Eine Affenweibchen habe es vorgezogen elf Tage zu hungern, als solch sinnloses Unrecht zu begehen.
Die meisten Menschen hatten bei einem vergleichbaren Experimenten weniger moralische Skrupel bewiesen. Nur wenige hatten den Mut sich den „Vorgesetzten“ die dies von ihnen verlangten, zu wiedersetzen und damit zum Außenseiter zu werden.
Tiere sprechen. Wir sollten ihnen nur besser zuhören.
Der Aristoteles zugeschriebene Begriff „zoon politicon“ zur Wesensbeschreibung des Menschen verweist darauf, dass erst die Fähigkeit (Notwendigkeit) in Gemeinschaft zu leben und „Staaten“ zu bilden, den Menschen vom Tier unterscheidet. Ein Gedanke, der von der modernen Evolutionsbiologie insoweit wissenschaftlich untermauert wird, als die Entwicklung des menschlichen Sprachvermögens der Notwendigkeit zugeschrieben wird, gemeinsam zu jagen.
Auch führ Hannah Arendt ist die Sprache der Schlüssel zum Verständnis des Politischen. In ihrem Schlüsselwerk „The human condition“ unterscheidet sie drei Grundformen menschlichen Seins: Den homo laborans, den homo faber und den Menschen als „handelndes“, politisches Wesen. Die Grundvoraussetzung und das Medium des Handelns ist die Sprache.
„Die Sprache der Präriehunde ist der menschlichen Sprache sehr ähnlich. Sie kennen Verben, Adverbien, Adjektive und Nomen.“
Daher war es umso interessanter, dass auch die 1980 geborene Philosophin, Songwriterin und Schriftstellerin Eva Meijer eingeladen worden war, die sich mit der Sprachfähigkeit von Tieren beschäftigt. Sie erzählte von der Sprache und Grammatik der Präriehunden, von Bienen, die diskutieren wen sie angreifen sollen, von Gänsen, die mit Menschen um ihr Territorium kämpfen, von Kamelen, die sich weigern in den Krieg zu ziehen und von der Fähigkeit von Chamäleons über wechselnde Körperfarben mit ihren Artgenossen sehr differenziert zu kommunizieren. Meijer: „Die Sprache der Präriehunde ist der menschlichen Sprache sehr ähnlich. Sie kennen Verben, Adverbien, Adjektive und Nomen. Und wenn die Feinde ihr Territorium verlassen, springen sie aus Freude in die Luft.“ In Anbetracht dieses hoch entwickelten Sprechvermögens in Sprachen, die der Mensch bisher nur teilweise versteht, empfiehlt die Philosophin ein radikales Überdenken unserer Beziehung zu nichtmenschlichen Lebewesen. Und die schlussfolgert daraus auch, dass diejenigen, die sich mit Eigenrechten, Persönlichkeitsrechten oder politischen Rechten von Tieren beschäftigten, nicht nur über Tiere reden sollten sondern auch mit ihnen.
„Das Christentum täte gut daran, sich von der eigenen Geschichte der Gewalt an der Natur zu emanzipieren“
Dr. Simone Horstmann, Theologin, Autorin und Mitarbeiterin Dortmunder Lehrstuhl für Systematische Theologie
Das Christentum zeichnet das Bild einer Natur ohne Seele
Die Theologin Dr. Simone Horstmann arbeitet am Dortmunder Lehrstuhl für Systematische Theologie und ist seit 2018 zweite Vorsitzende des Instituts für Theologische Zoologie in Münster. In dem 2018 erschienen und von ihr herausgegebenen Buch „Alles, was atmet. Eine Theologie der Tiere“ setzt sie sich theologiekritisch mit dem Leiden der Tiere und mit der Frage, ob Christen und Christinnen überhaupt Tiere essen sollten. Mit der offiziellen christlichen Heilslehre und Theologie ging sie hart ins Gericht. Nach ihrer Einschätzung täte die Theologie gut daran, sich von der eigenen Geschichte der Gewalt an der Natur zu emanzipieren.
Sie kritisierte die Idee eines allmächtigen, allwissenden, ewigen Gottes als etwas Totes und Gefühlloses. Den christlichen Herrschaftsauftrag über die Natur könne man nicht einfach euphemistisch als Auftrag zur Sorge umdeuten. Und sie machte darauf aufmerksam, dass das biblische Bild des „Opfers“ unterschwellig zur Beschönigung der Tötung von Tieren verwendet würde. Das Christentum zeichne das Bild einer Natur ohne Seele (pura natura) und folglich auch ohne Erlösung. Das Heilsversprechen münde in einen verheißungslosen Himmel ohne Tiere. In diesem Zusammenhang allerdings auch, dass viele weibliche Heilige als Veganer beschrieben würden, die sich von Kräutern und Pflanzen ernährt hätten und auf die Zuführung von Fleisch mit Erbrechen reagiert hätten.
Das Tierschutzrecht versagt: Tiere brauchen Eigenrechte.
Auf die Bedeutung von Rechten zur Durchsetzung der eigenen Interessen wies der Berliner Rechtsanwalt Dr. Tobias Schneider hin, der seit 2006 für PETA Deutschland tätig ist. Rechte, so Schneider, seien Instrument zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Für Rechte ist entscheidend, dass sie eine gewisse Stärke haben und in der Lage sind als eine Art „Schutzschild“ Angriffe auf die eigenen Rechte abzuwehren. Sie müssen stark genug sein, um einen Interessenausgleich zu erzwingen. Entscheidend für Rechte sei außerdem ihre „Justiziabilität“. Es helfe nicht Rechte zu haben, wenn diese nicht auch gegen andere Interessen durchgesetzt werden könnten. So verhalte es sich aber derzeit mit dem Tierschutzgesetz. Das Tierschutzgesetz sagt zwar, dass man einem Tier ohne einen vernünftigen Grund kein Leid zufügen darf. Doch diese Formulierung sei viel zu schwach, weil sie andererseits erlaube Tieren aus vernünftigen Gründen sehr wohl Schmerzen zufügen zu dürfen. Zu dieser Regel gebe es also Ausnahmen und Einschränkungen.
„Es hilft nicht Rechte zu haben, wenn diese nicht auch gegen andere Interessen durchgesetzt werden könnten“
Dies führe zu einer völlig widersprüchlichen Praxis. So hat das Bundesverwaltungsgericht das Kükenschreddern zwar eigentlich verboten. Die wirtschaftlichen Gründe der Züchter waren kein Grund bei dieser Praxis zu bleiben. Dennoch dürfen die Hühnerzüchter männliche Küken immer noch töten, weil es noch keine wirtschaftlich zumutbaren Alternativen gebe. Immer noch dürften Zoos überzählige Tiere töten, das Töten von Pelztieren finde immer noch statt und die Jagd sei auch immer noch erlaubt. Dabei müsse die Frage erlaubt sein, ob das Jagderlebnis ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes ist. Und auch bei der Massentierhaltung sei es offensichtlich, dass Tieren Gewalt angetan würde. Trotzdem sei sie immer noch erlaubt, weil es zur Ernährung der Bevölkerung notwendig sei. Für die Gerichte ist die Massentierhaltung immer noch rechtens, weil sie „sozial adäquat“ ist.
Es gibt erhebliche Vollzugsdefizite im Tierschutzrecht
Neben den materiellen Mängeln des Tierschutzrechtes gebe es außerdem ein erhebliches Vollzugsdefizite. Selbst der wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft bemängelt den Status quo. Es fehlen überall Kontrollen, die Zuständigkeiten seien oft ungeklärt. Die gesetzlichen Anforderungen, die sich aus dem Tierschutzrecht ergeben, könnten nicht eingehalten werden. Darüber werde aber routinemäßig hinweggesehen. Gesetzesverstöße wie betäubungslos durchgeführten Amputationen (z. B. Eckzähne und Ringelschwänze bei Schweinen, Schnabelspitzen bei Puten und Enten, Hörner bei Rindern) und der Anbindehaltung von Kühen seien immer noch gängige Praxis in der Massentierhaltung.
Obwohl das Tierschutzgesetz nicht eingehalten würde, sei es trotzdem unmöglich zu klagen, weil vor Gericht nur diejenigen Klagen könnten, denen die Rechte eingeräumt wurden. Solange Tiere keine Rechtspersonen sind, könnten sie daher nicht selbst vor Gericht ziehen, um ihre Rechte einzuklagen. Und die Tierschutzverbandsklage habe bisher versagt. Schneider: „Wir fordern eine bundesweit gültige Tierschutzverbandsklage. Bisher gibt es die Tierschutzverbandsklage nur auf Länderebene. Und sie sind unterschiedlich ausgestaltet.“
In NRW, das als erstes Bundesland eine Tierschutzverbandsklage eingeführt hat, wurde sie von der CDU-Landesregierung wieder abgeschafft, obwohl es weder zu der vorausgesagten Klageflut gekommen war noch der Forschungsstandort Deutschland in Gefahr geriet. In den Bundesländern, in denen es heute noch die Möglichkeit zur Tierschutzverbandklage gebe, seien die Hürden viel zu hoch. Daher gebe es nur wenige Verfahren und viele juristische Themen seien noch unbeantwortet.
Der Jurist führte anschließend in die Stellung von Tieren in unserem Rechtssystem ein. Nach BGB Paragraf 90 a seien Tiere zwar keine Sachen und würden daher geschützt. Allerdings würde auf sie trotzdem noch immer die Vorschriften angewendet, die für Sachen gelten.
Zivilrechtlich eine Sache oder eine Person?
Das Zivilrecht unterscheide zwischen Gegenständen und Personen. Als Gegenstände werden Sachen und Tiere bezeichnet. Personen gibt es als „natürliche Person“ und als „juristische Person“ (z.B. Aktiengesellschaften, GmbHs). Alle Personen und alle juristischen Personen – also auch GmbHs – können sich auf Grundrechte berufen. Tiere könnten es nicht, weil sie Rechtsobjekte sind, also Gegenstände und keine Personen. Als Gegenstände können sie Eigentum sein. Das Gesetz auferlegt ihren Eigentümer allerdings Pflichten, an die sie sich halten sollen. Man dürfe z.B. auf einer Bank Buch liegen lassen, aber kein Tier.
Die Frage ob es mit unserer Rechtsordnung vereinbar ist, Tieren Rechte zuzugestehen ist heute noch immer umstritten. Das häufig gebrauchte Argument, dass nur Menschen Rechte haben können, beruhe auf einem naturrechtlichen Personenbegriff. Der Begriff „Person“ wird mit Mensch gleichgesetzt. Wie das Beispiel der Rechtsperson „GmbH“ beweise, wäre es aber durchaus möglich, Tiere als Rechtspersönlichkeiten anzuerkennen. Rechtlich gesehen, gebe es diesen Spielraum. Letztlich handele es sich um eine Frage der Rechtsauslegung.
Tiere könnten auch nichtmenschliche Personen sein
Man könnte Tiere rechtssystematisch neu zuordnen und in Zukunft als tierliche Personen behandeln. Für welche Tiere diese neue Zuordnung gelte, sei zu diskutieren. Denkbar wäre, das Näheverhältnis zum Menschen als Kriterium anzulegen oder ihre Empfindungsfähigkeit. Der Kreis der tierlichen Personen und die sich daraus ergebenden, möglicherweise abgestuften Rechte, müsse der Wissenschaft überlassen werden. Grundsätzlich solle aber der Grundsatz „in dubio por animale“ angewendet werden. Die Konsequenzen, so Schneider wären nicht wirklich einschneidend. Wären Tiere als Personen anerkannt, würden sie aber in den Abwägungsprozessen ernster genommen.
Die Forderung Tiere als nichtmenschliche Personen zu behandeln, halte er für eine gute Alternative zur Tierschutzverbandsklage. Tierlichen Personen könnten – vertreten durch einen Anwalt - vor Gericht ihre Rechte einfordern oder verteidigen.
Grundrechte für Tiere?
Denkbar wäre auch die Anerkennung von Grundrechten für Tiere. Bisher haben nur Menschen und andere juristische Personen Grundrechte. Eingriffe in die Grundrechte von Tieren müsste dann rechtfertigt werden. Tiere könnten nicht mehr das Eigentum von Menschen sein. Ihr Recht auf Leben wäre dann zwar nicht absolut geschützt – dies gelte ja auch für Menschen - aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordere ein grundsätzliches Tötungsverbot. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Zoohaltung, Nutztierhaltung wären dann nicht mehr zu rechtfertigen. Es würden ganz neue Abwägungsmaßstäbe angelegt. Die Mensch-Tier-Beziehung müsste dann ganz neu definiert werden. Das Tierschutzgesetz durch eine neue Rechtskonzeption ersetzt werden.
Dr. Scheider fasst seine Ausführungen wie folgt zusammen:
- Das System Tierschutz verfehle die ethischen Ziele, die im Tierschutzgesetz zwar stehen aber nicht eingehalten werden.
- Die Anerkennung der Grundrechte von Tieren sei mit unserer Rechtsordnung vereinbar.
- Wenn sich eine Mehrheit in der Gesellschaft fände, könnten Grundrechte für Tiere durchgesetzt werden.
„Ich bin davon überzeugt, dass die Mauer der Ausschließung tierischer Rechtsperson von eigenen Rechten weiter fallen wird.“
Dr. Christian Arleth, Syndikusanwalt PETA Deutschland
Mit der Frage „Sollen Tiere Rechte haben?“ beschäftigte sich anschließend Dr. Christian Arleth, der 2015 zu einem verfassungsrechtlichen Thema promovierte und seit Januar 2018 Syndikusanwalt bei PETA ist. Er stellt klar: „Tiere sind Persönlichkeiten und haben individuelle Züge. Daraus ergibt sich die unbedingt die notwendige Frage, warum das Recht Tiere nicht als Personen anerkannt werden. Und selbst wenn sie nicht als Persönlichkeiten anerkannt werden, stellt sich trotzdem die Frage, warum wir ihnen keinen Eigenwert und kein Eigenrecht zugestehen. Vor dieser Gretchenfrage können die Gesetzgeber die Augen nicht länger verschließen.“
Dass sich das Rechtsverständnis in diesem Sinne verändere, zeigte Arleth anhand einer Vielzahl von Einzelfällen auf, die in den letzten Jahren weltweit verhandelt wurden.
Am 28.01.2015 wurde die 1986 im Rostocker Zoo geborene Orang-Utan-Dame Sandra im Rahmen einer Haftprüfungsbeschwerde von einem Bezirksgericht aus ihrer über 20-jährigen Gefangenschaft im Zoo von Buenos Aires freigesprochen. Elena Liberatori, die mit diesem Urteil Rechtsgeschichte geschrieben hat, kommentiert das Urteil mit den Worten: "Ihre Würde werden wir Sandra nie mehr zurückgeben können. Aber was wir tun können, ist den Rest ihres Lebens so würdevoll wie möglich zu gestalten."
Am 03.11.2016 folgte der Freispruch der Schimpansen-Dame Cecilia aus ihrer über 30-jährigen Haft im Zoo von Mendoza durch die Richterin María Alejandra Mauricio. Auch hier war die Begründung sehr ermutigend. Die Anwälte von Cecila hatten argumentiert, dass Cecilia wegen ihrer nahen genetischen Verwandtschaft zum Menschen vergleichbare Bedürfnisse habe und das Recht auf ihrer Art entsprechenden Lebensbedingungen. Nur wegen ihrer Artzugehörigkeit (Speziesismus) würde sie eingesperrt und sei hilflos den Interessen des Zoos ausgeliefert. Cecilia sei damit wie ein Sklave anzusehen. Der Richter folgte im Wesentlichen dieser Argumentation und stellte in seinem Urteil fest: Cecilia sei keine Sache, die der Zoo besitzen könne. Man könne auch nicht abstreiten, dass Menschenaffen wie Cecilia fühlende Lebewesen seien und daher personale Rechte genössen. Menschenaffen seien Rechtspersonen mit eigenen naturgegebenen Rechten. Dies umfasse zwar nicht aller Rechte eines Bürgers/Bürgerin, aber Tiere hätten menschähnliche Existenzrechte die ihrer Art angemessen sind.
In den USA gab es bereits mehrere Anhörungen in Verfahren, in denen Tiere Beschwerden zur Prüfung ihrer Gefangenschaft in Labors und Zoos einlegten: die erste für die in einem New Yorker Tierversuchslabor eingesperrten Schimpansen Hercules und Leo am 27.05.2015 vor dem höchsten Gericht des Bundesstaates New York, weitere für die im New Yorker Bronx-Zoo gehaltene Elefantin Happy 2018 und 2019. Die nächste Anhörung in diesem Verfahren finde am 06.01.2020 statt.
Indien: Eine „Magna Charta der Tierrechte“
Mehrere indische Gerichte, darunter das höchste indische Gericht, haben inzwischen Tieren Grundrechte zuerkannt, zum Beispiel die Würde aller Tiere des Tierreichs, das Recht von Bullen, nicht als Unterhaltungsobjekte in Rennen missbraucht zu werden, oder das Recht von Vögeln, frei im Himmel fliegen zu dürfen, statt in Käfige eingesperrt und verkauft zu werden.
„Die UN und die internationale Gemeinschaft möge ihre Köpfe in Scham verstecken, angesichts der vielen Opfer, die Tiere in all den Jahren für Menschen erbracht hätten und angesichts der Art und Weise wie der Mensch eben diese Tiere behandele.“
Supreme Court India
Der Supreme Court India haben inzwischen eine Art „Magna Charta der Tierrechte“ verabschiedet, die Wirkung zeige. In seiner Begründung stellt das Gericht unter anderem fest: Die UN und die internationale Gemeinschaft möge ihre Köpfe in Scham verstecken, angesichts der vielen Opfer, die Tiere in all den Jahren für Menschen erbracht hätten und angesichts der Art und Weise wie der Mensch eben diese Tiere behandele. Das Gericht kritisiert, dass Menschen Tiere wie Sachen und als Eigentum behandele und gesteht Tieren Ehre und Würde zu. Es leitet diese Rechte aus dem Naturrecht und der indischen Verfassung her. Das Gericht fordert ein Recht auf körperliches Wohlbefinden eine saubere und gesunde Umgebung und Nahrung. Diese Grundsatzurteile, so Arleth, hätten in den letzten Jahren erhebliche Wirkung gezeitigt.
Sein Fazit: „Die vermeintlich undurchbrechbare Mauer traditionellen Rechtsdenkens, wonach Tiere nur Objekte von Rechten sein können aber keine eigenen Rechtsträger ist bereits durchbrochen worden. Ich bin davon überzeugt, dass die Mauer der Ausschließung tierischer Rechtsperson von eigenen Rechten weiter fallen wird. Dies ist angesichts der auf dieser Konferenz einmal mehr in Augenschein tretenden ethischen, empirischen und rechtlichen Überholungen des Speziesismus ein kategorischer Imperativ.“