Ökokapitalismus kann Natur und Wirtschaft versöhnen
Schon lange beschäftigt sich Hans Immler, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Kassel, mit dem Sündenfall der Wirtschaftstheorie. Dieser besteht für ihn darin, dass Natur als etwas "Äußeres" behandelt wird, das für die eigentliche Wertschöpfung ohne Bedeutung ist. Denn Natur taucht in Unternehmensbilanzen und volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nur als etwas auf, dessen Bereitstellung Kosten erzeugt.
"Produktiv", davon geht die gängige Wertlehre aus, ist nur der Mensch (Arbeit) und das Kapital (ggf. noch der Boden oder Technologie). Immler stellt dem eine alternative Betrachtung entgegen: NUR Natur - und Natur ist für ihn auch der Mensch und alle belebte, unbelebte und be- und verarbeitete Natur - ist produktiv. Ohne Natur kann das Kapital, kann die Wirtschaft nichts. Denn Kapital hat nur die Aufgabe Wertschöpfung zu organisieren.
Damit uns das nicht in die Katastrophe führt, hat die Wirtschaft in Zukunft den Auftrag, sehr bewusst Natur zu erhalten und herstellen. Das macht Kapital nicht überflüssig und erfordert auch in Zukunft die Erwirtschaftung von Gewinnen. Nur anders.
Für diesen Irrtum - die Verleugnung der Produktivität der Natur als Bedingung für Wirtschaften - bezahlt die Welt heute einen hohen Preis. Denn dieses Paradigma hat dazu geführt, dass das einzig wirklich produktive Kapital von dem wir alle und die Wirtschaft leben (die Natur) systematisch übernutzt, zerstört und degradiert wird. Nur, wenn dieser Irrtum korrigiert wird, so Immler kann der Mensch und kann die Wirtschaft überleben.
Immler geht davon aus, dass wir heute eine Wende durchleben. Dafür nennt er zwei Gründe: Erstens steht die Welt bei der Naturzerstörung mit dem Rücken an der Wand (z.B. Klimawandel, Artensterben, Ozeane). Wir können diese Probleme nicht länger ignorieren. Zweitens steigen die Kosten für die Reparatur der Schäden immer schneller. Dieses System ist also auch wirtschaftlich am Ende. Für besonders gefährlich hält Immler den neuen Typus des Finanzkapitalismus, dessen unkontrollierte Geldmengen die Zerstörung der Natur beschleunigen sowie den nicht nachhaltig denkenden und lebenden Konsumenten.
Für Immler steht fest: Wir haben (noch) eine Chance aber wir müssen sie sofort nutzen. Er will den Turbo-Finanzkapitalismus in einen naturverstehenden Ökokapitalismus umbauen und fordert einen neuen Typus von Wachstum. Immler schlägt vor, die gefährliche Schöpfung von Giralgeld durch Banken sofort zu stoppen. Nur die Zentralbanken sollen in Zukunft noch Geld schöpfen dürfen und sollen dies zur Wiederherstellung der Produktivität der Natur auch sofort tun. Ein Teil des Bruttosozialproduktes soll ab sofort in die Wiederherstellung und Steigerung der Produktivität der Natur investiert werden.
Da dies nichts anderes ist, als ein Investment in die Erhaltung und Verbesserung unseres wichtigsten Kapitals (die Produktivität der Natur) hält er dieses Investment für ökonomisch machbar. Ein solches Investment finanziere sich nämlich aus den steigenden Natur-Erträgen sehr bald selber.
Mit den Wachstumskritikern geht Immler hart ins Gericht. Er ist der festen Überzeugung: Noch nie sei die Welt so dringend auf umfangreiche Investitionen angewiesen und auf das damit verbundene Wachstum.
Eine solche Erhöhung der Geldmengen dürfe aber nur unter der Voraussetzung geschehen, dass diese Investitionen auch tatsächlich ihr Ziel (die Regenerierung, Wiederherstellung und Steigerung der Naturproduktivität) erreichen. Sollte diese Übung nicht gelingen, sieht auch Hans Immler schwarz.
Wir haben also (k)eine Chance. Nutzen wir sie!!!
Hans Immler
Die Versöhnung von Natur und Wirtschaft ist möglich
Metropolis Verlag 2017
ISBN 978-3-7316-1272-8
Eine Buchbesprechung von Christine Ax