Natur ist die Quelle all unseres Wohlstandes
Diese Art von Wachstum wird die Quellen des Wohlstandes zerstören
Der Boden (seine Fruchtbarkeit), die Luft, Wälder, Grund- und Oberflächengewässer, die Atmosphäre, Biodiversität (Tieren und Pflanzen): Sie alle machen in ihrer Gesamtheit das Netz des Lebens aus. Ihre Unversehrtheit und Produktivität sind unser wichtigstes Kapital. Der Indikator BIP liefert uns weder Informationen darüber, wie es den Menschen wirklich geht, noch über den Zustand der Natur. Das ist nicht vernünftig und sehr gefährlich.
Nun haben US-Ökonomen und Nachhaltigkeitsforscher vor einigen Jahren damit begonnen, in Zusammenarbeit mit chinesischen Wissenschaftlern eine Methode zu entwickeln, die den Wert der Natur ökonomisch bewertet. Das „Brutto-Ökosystem-Produkt“ der chinesischen Provinz Qinghai, die als Modellprojekt ausgewählt wurde, ist beeindruckend. Die Provinz Qinghai ist Ursprung drei großer Flüsse und wird auch "Wasserturm Chinas" genannt. Dort entspringen die Flüsse Mekong, Jangtse und der Gelbe Fluss - deren Wassermengen heute, durch die Klimawandel im Himalaya bedroht sind. Bei Ihren Bewertungen kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass das Brutto-Ökosystem-Produkt Qinghais im Jahr 2000 größer war als sein BIP und 15 Jahre später immer noch 75 % des BIP erreichte. Rund zwei Drittel des BÖP sind auf wasserbezogene Ökosystemleistungen zurückzuführen, die aber zu zwei Drittel nicht der eigenen Bevölkerung zugutekamen, sondern die Grundlage für den Wohlstand anderer Provinzen und Regionen Chinas waren. Die chinesische Regierung nahm dies zum Anlass, um die Provinz Qinghai dafür zu bezahlen, wenn auf ökonomische Aktivitäten, die diese ökologischen Dienstleistungen mindern, verzichtet. Es kam und kommt noch immer zu einem monetären „Interessenausgleich“. Groß angelegte Investitionen in die Wiederherstellung sollen inzwischen den Wert der Ökosystemleistungen der Region auf 127,5 % des regionalen BIP gesteigert haben. Inzwischen gibt es immer mehr Hinweise dafür, dass China dieses Bewertungsverfahren in seiner Planung für alle Provinzen verpflichtend eingeführt hat.
Jianguo Liu, Direktor des Zentrums für Systemintegration und Nachhaltigkeit an der Michigan State University, ist neben Gretchen Daily, Inhaberin des Lehrstuhls für Naturkapital an der Standfort Universität, einer der führenden Köpfe in diesem Projekt. Angesichts des enormen Verlustes an Naturkapital fordert er die Welt auf, sich des enormen Wertes der Ökosystemleistungen bewusst zu werden und endlich zu realisieren, wie viel Wohlstand bei einem „weiter so“ auf dem Spiel steht. Sollte Chinas Führung dies tatsächlich verstanden und konsequent in Politik gegossen haben, könnte sich dies schon sehr bald in handfeste ökonomische Vorteile verwandeln. Ein Szenario, das hierzulande so sehr auf Skepsis stößt, dass Journalistinnen darüber nur mit allergrößter Skepsis berichten - oder ganz darauf verzichten. Denn dass Chinas Planwirtschaft ökologisch den Weg weisen könnte, ist ein unbequemer Gedanke.
Es ist bedauerlich, dass für Europa und Deutschland bisher keine vergleichbaren Zahlen vorliegen. Die Diskussion über die EU-Renaturierung-Verordnung im EU-Parlament und in der Öffentlichkeit wäre vermutlich anders verlaufen, wären die Naturschützer mit diesen Zahlen durchgedrungen.
Die EVP und ihre Bündnispartner von der extremen Rechten, hatten versucht, mit ökonomischen Argumenten die Wiederherstellung degradierter Ökosysteme in Europa zu verhindern. Es wird Zeit, dass die ganze Welt versteht, dass die größte Gefahr für die Wirtschaft nicht darin besteht, dass die Natur wiederhergestellt wird, sondern darin, dass wir ihre materielle Voraussetzung, die Natur, weiter zerstören.
[1] Deutschlandfunk vom 12.08.2023