Lisa Mead: Ich musste meine Seele retten
Ein gutes Recht kann die gesellschaftliche Praxis verändern
Liebe Lisa Mead, Sie leben in Schottland und arbeiten im ELGA Steering Committee. Können Sie uns etwas darüber erzählen, warum engagieren Sie sich bei ELGA?
Ich lebe in Schottland in der Nähe von der ökologischen Lebensgemeinschaft Findhorn. Ich habe 10 Jahr in einer großen Kanzlei Unternehmen und Investmentbanken beraten. Mit Mitte 20 oder vielleicht sogar früher, wurde mir bewusst, dass wir ein Umweltproblem haben. Ich fing an darüber zu lesen und nachzudenken. Als ich begann für Investmentbanken zu arbeiten wurde mir immer klarer, dass mein Arbeit dazu beiträgt die Umwelt zu zerstören. Aber ich hatte damals das Gefühl, dass ich aus wirtschaftlichen Gründen nicht aussteigen konnte, weil ich Schulden gemacht hatte, um mein Studium zu finanzieren. Ich dachte es ist verrückt jetzt aufzuhören und blieb also länger als es gut für mich war. Als ich dann endlich ausstieg haben Freunde gesagt: Wie mutig Du bist“ Ich habe geantwortet: „Ich bin nicht mutig sondern ich habe das Gefühl meine Seele retten zu müssen. Damals war ich 45 Jahre alt. Und ich war in der glücklichen Lage keine finanziellen Verpflichtungen zu haben, wie z.B. Kinder, die ich versorgen muss und auf mein Einkommen angewiesen sind?
Nach meinem Ausstieg, wollte ich unbedingt in die Natur. Ich hatte so lange in einer so künstlichen, ich würde fast sagen plastikähnlichen Umgebung verbracht. Ich habe Überlebungs-Training in Canada gemacht. Ich bin drei Monate in den Bergen und Wäldern herumgesprungen und habe gelernt, wie man in der Wildnis keine Spuren hinterlässt. Ich traf dort für die Sache der Natur und die Anliegen der First Nation in Canada engagierte Menschen die in tiefem Respekt für die Natur lebten, ohne Strom und fließendes Wasser.
Mir wurde klar, wie sehr wir von Elektrizität abhängig sind und wie viel Strom wir brauchen. Meine Wahrnehmung und meine Beziehung zu Mutter Erde haben sich in dieser Zeit sehr verändert. Und ich hatte sehr lange keine Lust mehr, mich mit Rechtsfragen zu beschäftigen.
Polly Higgins hat mich dann dazu inspiriert mich wieder mit Rechtsfragen auseinander zu setzen. Aber auf eine ganzheitlichere Art und Weise.. Ich habe eine Weile mit ihr im Rahmen der ecocide-Kampagne zusammengearbeitet und wir haben gemeinsam die die Earth Law Alliance gegründet. Das erste Internationale Tribunal für „Rights of nature“ in Ecuador 2014 hat mich mehr denn je darin bestärkt mich mit Earth Jurisprudence zu befassen und der “Globale Alliance for the Rights of Nature“ verbunden zu bleiben. Vorher war ich keine Aktivistin.
Was ist Ihre Vision?
Unser Denken und unser Recht beruhen auf einem veralteten mechanistischen Weltbild. Und wir müssen unser Recht ins 21 Jahrhundert überführen. Es muss der Tatsache gerecht werden, dass alles mit allem zusammenhängt und dass wir Teil der Natur sind. Irgendwie folgt das Recht unserer menschlichen Entwicklung. Andererseits kann das Rechte auch dazu beitragen unser Bewusstsein verändern und dazu motivieren anders zu denken und zu handeln. Ein gutes Recht kann die gesellschaftliche Praxis zum Guten wenden.
Was sollten Rechtsanwälte und Richter tun?
Wir können viel mutiger sein. Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und abwarten. Wir müssen proaktiv sein und voran gehen. Viele Menschen denken schon in Sinne der „Rechte der Natur“ und „Earth Law“ und wären eigentlich dazu. Deshalb ist ELGA so wichtig.
Ist die Zivilgesellschaft stark genug, einen solchen Wandel mitzumachen oder zu fördern?
Ich glaube die Veränderung ist schon im Gange. Ich sehe und fühle den Wandel. Hinter dem Vorhang ist mehr los, als man denkt. Die Regierungen können ihre Verantwortung nicht länger ignorieren.
Sie sind also optimistisch?
Ja, das bin ich. Auf allen Ebenen sehen Menschen die Notwendigkeit eines Wandels aber sie fühlen sich oft noch hilflos und wissen nicht wie es geht. Aber der Druck von außen wird immer größer und größer. Sie werden keine Wahl haben, sie müssen handeln. Das denke ich und das hoffe ich (lacht).
ELGA in 10 Jahren?
Ich wünsche mir, dass dann alle Gesetze den ökologischen Notwendigkeiten entsprechen und Umweltschutz Gesetze überflüssig sind. Aber vielleicht brauchen wir dann immer noch eine Art Ecozide-Gesetz. Denn wir haben überall auf der Erde der Natur und lokalen Gemeinschaften großen Schaden zugefügt. Diejenigen die das getan haben, müssen dort Wiedergutmachung leisten, und die Ökosysteme wiederherstellen. Es gibt so wunderbare Möglichkeiten in Harmonie mit der Natur zu leben und zu wirtschaften. Das ist es was ich mir am allermeisten wünsche.