Interview mit Doris Ragettli
Wenn die UNO die Rechte der Natur anerkennt, kann das einen Kurswechsel bedeuten
Liebe Doris, welche Erfahrungen haben Dir die Kraft gegeben, diesen Weg zu gehen?
Ich wurde einmal gefragt: “Was hat immer deine Aufmerksamkeit erregte seit du Kind warst, und du dachtest jemand sollte mal was dafür tun” Für mich war es der Mutter Erde Sorge zu tragen. In den 70 Jahren kamen industriell hergestellte Lebensmittel in unser Bergdorf, was Müll von den Verpackungen mit sich brachte. Dieser Müll landete damals im Wald und im Bach, da es noch keine Müllabfuhr gab, das fand ich traurig. Als ich in den 80er Jahren in die Detail Handel Schule ging, lernte ich dass Profit auf Biegen und Brechen das Heiligtum war für Import und Export. Naturschutz oder anständige Entlohnung der Arbeiter in fernen Länder, war kein Thema. Das fand ich inakzeptabel. Später als ich per Velo durch die USA radelte in den 90er Jahren, sahen wir wie die Wälder mit riesigen Maschinen in Windeseile kahlgeschlagen wurden, um Land für Rinderzucht frei zu legen.
Die Bäume, Tiere, das Wasser, Luft und die Erde haben im Gesetz keine Rechte. Aie dienen der Wirtschaft als eine Resource, die man kaufen und verkaufen kann, anstatt als lebendige Wesen geehrt und geschützt zu werden. Das Gesetz gibt nur dem Menschen Rechte und Institutionen die von Menschen kreiert wurde, wie z.B. Unternehmen. Da das Rechtswesen vor allem als Instrument dient für den Handel, legalisiert es so zu sagen den Raubbau an der Natur. Dies ist fatal für die Natur in der heutigen Zeit der Globalisierung und Automatisierung der Arbeitsprozesse. Dies gilt es zu revidieren!
Was sind die wichtigsten nächsten Schritte, die notwendig sind, damit die Rechte der Natur in Europa anerkannt werden.
For einigen Jahre haben wir mit Natures Rights, eine Europäische Bürger Initiative für die Rechte der Natur in Europa lanciert, dies erwies sich jedoch als zu schwierig. Nun wurde eine Studie über Naturrechte in der EU erstellt, die auf Ersuchen des JURI-Ausschusses von der Abteilung für Bürgerrechte und konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments in Auftrag gegeben wurde. Diese untersucht das Konzept der „Rechte der Natur“ ( RoN) und seine verschiedenen Aspekte in der Rechtsphilosophie und in internationalen Abkommen, sowie in der Gesetzgebung und Rechtsprechung auf verschiedenen Ebenen für Europa. Sie kann hier gefunden werden:https://www.therightsofnature.org/towards-an-eu-charter-of-the-fundamental-rights-of-nature/
Und welche konkreten gesetzgeberischen Reformen möchtest du erreichen?
Mit unserer globalen Petition bitten wir die UNO eine Deklaration für die Rechte der Mutter Erde zu verabschieden als Ergänzung der Menschenrechts-Deklaration. Eine Deklaration welche die Menschen inspirieren wird ihre Sicht und Verhältnis zur Natur zu wandeln, sie als ein Teil von uns und wir einen Teil von ihr zu erkennen, zu ehren und um jeden Preis zu schützen.
Sie finden die Petition hier: https://www.thepetitionsite.com/826/567/703/
In der Schweiz haben sich jetzt 5 Nationalräte für die Anerkennung der Rechte der Natur in der Schweizer Verfassung ausgesprochen. Welche Erfolgsaussichten hat diese Initiative?
Sie wird zuerst den üblichen Verlauf im Parlament durchlaufen müssen, dies wird dauern und dann werden wir sehen ob es zu einer Volksinitiative kommen wird. Doch es ist noch zu früh um etwas sagen zu können.
Was muss geschehen, welche Erfahrungen und Informationen brauchen Menschen, um anzuerkennen, dass sie ein Teil des „Netzes des Lebens sind“ und dass sie nur überleben und gedeihen können, wenn die Natur blüht und gedeiht?
Ich glaube tief in unseren Herzen wissen wir es, doch durch den modernen - der Natur entfernten Lebensstil vor allem in Großstädten - ging die Verbindung mehr und mehr verloren in den industrialisierten Länder. Ich denke es braucht viel Aufklärungsarbeit und fixe Fächer in den Schulen über die Umwelt und dass wir ihr sorge tragen müssen. Es würde vielen Menschen auch gut tun sich wieder behutsam der Natur hin zuwenden. Zudem Wenn die UNO eine Deklaration der Rechte der Mutter Erde annimmt, würde das auch ein Zeichen setzten für den nötigen Paradigmawechsel von der vorherrschenden Menschzentrierten - zu einer ganzheitlichen Erdzentrierten Weltsicht. Denn die UNO ist ein globales Führungsgremium, welches Nationale Gesetze und Ausbildungsprogramme beeinflusst, wenn dort z.B. die Rechte der Natur anerkannt werden, kann das ein Kurswechsel einläuten.
Du warst schon öfter in Südamerika bei indigenen Völkern. Ihre Kosmologie unterscheidet sich von unserer Weltsicht, in der die Natur ein Ding ist, das man besitzen und zerstören darf. Kannst du uns dafür Beispiele nennen?
Sie erkennen ganz klar dass die Mutter Erde ein lebendiges Wesen ist und der Mensch aus ihr hervor geht und leben auch diesem Bild entsprechend im Einklang mit der Natur. Sie sagen dass wir einfach den falschen Traum verfolgen, den Traum von Besitzen und haben wollen. Das ist bloß ein Irrtum und wir können den Traum wechseln zu der uns zustehenden beitragenden Rolle in dem lebendigen Gebilde der Erde. Dazu gibt es ein Symposium von der Pachamama Alliance, welches sich “Awakening The Dreamers” nennt, wodurch die Teilnehmer auf interaktiver Art die Lehren der Achuar aus Ecuador erfahren können. Siehe hier: https://www.pachamama.org
Du sagst in einem Interview, dass wir Menschen eine weitere Stufe in unserer Evolution machen müssen. Wie meinst du das? Hat die Evolution denn ein Ziel? Und wenn ja, welches?
Dass wir uns bewusst werden dass wir ein Teil des Ganzen sind und Verantwortung für das Wohlergehen und den Schutz von allen Lebewesen übernehmen müssen. Dieser Schritt in der Bewusstseinserweiterung vom ich zum Ganzen braucht es glaube ich, so dass der Mensch realisiert dass er die Lebensgrundlage nicht untergraben sollte, sondern sie schützen muss.