Immer öfter hilft das Recht BürgerInnen sich zu ermächtigen
Symbolpolitik hilft nicht weiter
(cax) Die Tierbestände sind seit 1970 weltweit um 60 Prozent geschrumpft. Die Menschheit verbraucht 70 Prozent mehr Ressourcen als die Erde bereithält. Mit diesem Befund schreckte der WWF-Living Planet Report 2018 die Öffentlichkeit auf. Wer sich regelmäßig mit dem Zustand der Welt beschäftigt, den wird dieser Befund nicht gewundert haben. Verstörend ist hingegen der immer offensichtlich werdende Befund, dass fast nichts geschieht. Mancherorts wird das Rad von Ultrakonservativen sogar zurückgedreht (USA, Brasilien). Kapitalismuskritik und Elitenschelte haben nach der Finanzkrise 2008 zwar dramatisch zugenommen. Trotzdem sind wir von einer echten Wende immer noch weit entfernt.
Jörg-Andreas Krüger, Geschäftsleiter Naturschutz beim WWF Deutschland kommentiert diese Lage mit den Worten: "Unser Lebensstil ist wie Kettenrauchen und Komasaufen auf Kosten des Planeten".
Zeichen der Hoffnung - Das Recht wird immer wichtiger
Aber es gibt auch Zeichen der Hoffnung. Viele Menschen setzen sich für Lösungen ein. Die einen forschen und arbeiten an konkreten Lösungen für die Agrar-, Energie- oder Mobilitätswende und eine echte Kreislaufwirtschaft. Die anderen arbeiten an Vorschlägen für eine ökologischen Steuerreform, die Reparaturrevolution oder an einem ökologischen Grundeinkommen. Und selbst Teile der Finanzwirtschaft (vor allem die Versicherungen) haben verstanden, dass nur der Ausstieg aus der Kohle die Beschleunigung der „Selbstverbrennung“ verzögern kann.
Aber ausgerechnet die Politik, die eigentlich die Pflicht hat, die Bürger vor Gefahren für Leib und Leben zu schützen, scheint all das kaum zu interessieren. Kein Wunder also, dass es immer mehr zivilgesellschaftliche Initiativen gibt, die jetzt das Recht zu Hilfe zu Rufen. Denn Demokratien beruhen auf der Gewaltenteilung. Und es ist ein Privileg der Rechtsprechung, die Exekutive – die Politik – zu kontrollieren. Damit sie diese Rolle übernehmen kann, muss man das aber auch einfordern. Umweltjuristen stehen hier an der vordersten Front.
Das ist das Ziel mit dem sich immer mehr JuristInnen auf den Weg machen, das Recht als Waffe gegen das Versagen von Regierungen und Politikern „scharf zu machen“. Sie fordern ein Rechtssystem, das es erlaubt alle Verbrechen gegen die Natur zu bestrafen. Dazu gehört auch der Tatbestand des Nichthandelns – der Verweigerung die Menschheit vor der Zerstörung de Lebensgrundlagen durch einige Wenige zu bewahren.
Drei Initiativen – Strategien - sind hier ganz besonders hervorzuheben: Die Eradicating-Ecocide-Initiative der Umweltjuristin Polly Higgins, die internationale „Rechte der Natur“ Bewegung, international agierende Rechtsanwaltskanzleien wie Client Earth und viele andere mehr. Sie alle gewinnen Stück für Stück rechtspolitisch an Terrain und wir tun gut daran, sie zu unterstützen.
Die Zeit der Symbolpolitik könnte bald vorbei sein
Nicht nur wurden inzwischen einigen Flüssen weltweit Eigenrechte zuerkannt. Sehr ermutigend ist auch die Entscheidung eines Niederländischen Gerichtes in Den Haag. Es entschied den vom niederländischen Staat angestrengten Revisionsprozess zugunsten der URGENDA-Initiative und verpflichtete die Regierung dazu, ehrgeizigere Klimaschutz-Ziele zu formulieren. Ziele, die mit den EU-Verträgen und den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens harmonieren.
Die Richter machten deutlich, dass es die Pflicht des Staates ist, seine BürgerInnen vor dem Klimawandel zu beschützen und dass Arbeitsplätze kein Grund sind, dies nicht zu tun. Und sie machten deutlich, dass sie, die Gerichte, sehr wohl das Recht - und die Pflicht haben - die Exekutive zu kontrollieren. Das hatten die Anwälte der niederländischen Regierung bestritten.
In UK machte Juristen der Client Earth Bewegung Punkte gut, indem sie einfach locker ließen. Sie forderten von der Regierung ein Luft-Reinhaltegesetz und ließen nicht locker. Im sechsten Anlauf – nach mehreren Revisionsverfahren - bekamen sie schließlich Recht. Die Regierung sah sich gezwungen zu handeln. Client Earth zeigt sich davon überzeugt, dass man in Demokratien, Regierungen mit ihren eigenen Waffen schlagen kann - bzw. zum Handeln zwingen.
Auf der gleichen Ebene ermutigend sind die Entscheidungen der Gerichte zugunsten der Deutschen Umwelthilfe. Auch diese Urteile machen klar: Regierungen können dazu verpflichtet werden, die Gesetze, die sie selber gemacht haben, anzuwenden und einzuhalten. Und sie haben die verdammte Pflicht, Leib und Leben ihrer BürgerInnen zu beschützten.
Rechte der Natur
Ein ganz besonders dickes und ganz besonders wichtiges „Brett“ bohrt die immer größer werdende internationale „Rechte der Natur Bewegung“, die 70 Jahre nach der Erklärung der Menschenrechte in Den Haag ein vergleichbar weitreichende Konzept für den Schutz der Natur fordern. Die Erklärung in Den Haag, die von sehr vielen internationalen Aktivisten und Organisationen und Juristen getragen wird, fordert die Staaten dieser Welt auf, endlich in Treuhänderschaft für die Natur aktiv zu werden und sie wollen dieses Prinzip rechtlich verbindlich machen.
Treuhänderschaft bedeutet, sich die Sache eines anderen zu eigen zu machen, und ihre Interessen an ihrer Stelle zu vertreten, so z.B. Regierungen in Treuhänderschaft für ihre Bürger handeln müssen. Im Mittelpunkt der „Earth Trusteeship Initiative“ steht der Zusammenhang zwischen Rechten, Verantwortlichkeiten, Treuhandschaft und die Weiterentwicklung des internationalen Rechts.
Im Dezember findet das Earth Trusteeship Forum in Den Haag statt. Die Biokratie-Initiative/Haus der Zukunft ist dabei und unterstützt die Veranstaltung.
Die "Haager Prinzipien" werden am 10. Dezember 2018 auf dem Earth Trusteeship Forum im Friedenspalast in Den Haag anlässlich des 70. Jahrestages der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vorgestellt werden.“
Das Haus der Zukunft mit seiner Biokratie-Initiative, die von Dr. Georg Winter schon in den 80er Jahren gestartet wurde, unterstützt diese Veranstaltung und Initiative, so wie es sich schon seit Jahrzehnten mit der Förderung wissenschaftlicher Studien oder Konferenzen für diesen Grundlegenden Wandel in unserem Rechtssystem einsetzt.