Europas Flüsse in Gefahr. Oder?
Begradigt, kanalisiert, vergiftet, ausgetrocknet: Europas Flüsse brauchen Hilfe
Dabei belegen die Studien des Bundesamtes für Naturschutz die Bedeutung von Auen und Flüssen für uns alle auf beeindruckende Weise. Und Flüsse haben Fürsprecher in der Politik und mächtige europäische Regelwerke an ihrer Seite.
Seit vielen Jahren bemüht sich eine überparteiliche parlamentarische Gruppe namens „Frei fließende Flüsse“ darum, über die Folgen der immer weiter fortschreitenden Eingriffe in die Flusssysteme aufmerksam zu machen. Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke war in der letzten Legislaturperiode Vorsitzende dieser Arbeitsgruppe und es ist zu hoffen, dass auch in der neuen Legislaturperiode engagierte Bundestagsabgeordnete am Ball bleiben.
Ein Thema, das immer wichtiger wird, weil nicht nur die brutalen Eingriffe in die Fluss-Ökosysteme, sondern auch der Klimawandel gravierende, negative Folgen haben. Flüsse werden angesichts von immer häufiger auftretenden Hochwasserereignissen zu einem Risiko, sie können aber Teil der Lösung des Problems werden, wenn ihnen mehr Raum für ihren natürlichen Lauf gegeben wird.
Doch auch das Gegenteil ist problematisch: Bleibt der Regen aus und werden die Trockenperioden länger, sinken die Wasserstände bis hin zum „Trockenfallen“.
Dies alles hat Einfluss auf das Grundwasser und dessen Qualität.
Das bedrohliche Fischsterben in der Oder letzten Spätsommer wurde vermutlich von einer Kombination aus niedrigem Wasserstand, fehlendem Sauerstoff und der Einleitung salzhaltiger Abwässer verursacht.
Ob diese Realitäten mit den Wünschen mancher europäischer Regierungen nach einer noch intensiveren Nutzung von Oder, Donau und Elbe in Einklang gebracht werden kann (oder sollte) ist die Frage. Denn so richtig es ist, dass der Transport auf dem Wasser umweltfreundlicher ist, als der Güterverkehr auf der Straße, so problematisch sind die Folgen des Um- und Ausbaus für die Fließgewässer und ihre empfindlichen Ökosysteme. Zumal Flüsse für ihre Anwohner und ihr Umland mehr bedeuten als Fahrrinnen, die logistische Probleme lösen.
Wohin es führt, wenn Politiker gegen den Rat von Natur- und Umweltschützern wirtschaftlichen Interessen den Vorrang geben, dafür ist die Entwicklung der Unterelbe ein Beispiel. Wie die Tagesschau jüngst berichtete, müssen die Riesenfrachter, derenthalben die Elbvertiefung gegen den Widerstand der Naturschützer durchgesetzt wurde, auf ihrem Weg in den Hamburger Hafen immer öfter flache Stellen umfahren. Wo die wachsenden Schlickmengen deponiert werden sollen, ist ein weiterer Streitpunkt. Wenn jetzt in Hamburg wegen der Konflikte mit Russland und China die Container ausbleiben, ergibt sich ein beschämendes „Worst-Case-Szenario“: Der Eingriff in das Ökosystem Elbe war nicht nur ein sinnloser, ökologischer Frevel, sondern außerdem eine sehr teure Fehlinvestition.
Dass Flüsse mehr sind als „Abflüsse und Fahrrinnen“ ist angesichts dieser Ausgangslage ein besonders wichtiges Thema, wenn wir über Naturschutz und die Rechte der Natur sprechen. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass sich inzwischen immer mehr Initiativen für die Rechte von Flüssen einsetzen. Beispiele dafür sind die Loisach, für deren Rechte die Aktivisten des Bayerischen Volksbegehrens - Rechte der Natur, aktiv sind.
Ganz aktuell ist eine folgenreiche Planung der polnischen Regierung für die Oder stark umstritten. Polen möchte in Swinemünde an der Ostsee einen riesigen neuen Containerhafen bauen, der wenige Kilometer hinter der deutsch-polnischen Grenze jährlich zwei Mio. Standardcontainer umschlagen soll. Der Terminal soll neben einer Hafenanlage für Flüssigerdgas entstehen. Damit die Container ins Landesinnere transportiert werden können, soll die Oder schiffbar gemacht werden. Diese Planung ist Teil des Gesamtplanes „Oder-Elbe-Donau-Wasserstraße“, der einen Weg von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer eröffnen soll. Das Vorhaben wurde mit einem Staatsvertrag zwischen Tschechien Polen und Ungarn besiegelt.
Foto Elbvertiefung: Dr. Achim Taubert, Open Source Wikimedia