„Brennende Erde“: Sunil Amrith fordert einen neuen Umgang mit der Natur – Buchbesprechung

Das Bild, generiert durch KI, zeigt ein brennendes Zunholz als Symbol für die Erde. Der Hintergrund in dunklen Tönen wird von flimmernden Flammen im Bokeh-Stil erleuchtet, was die Dramatik der Klimakrise visuell unterstreicht.
Foto: Collage, KI generiert (ChatGPT&Photoshop)

Sunil Amrith ist Professor für Geschichte an der Yale Universität und unter anderem Fukuoka-Preisträger. „Brennende Erde“, sein jüngstes Buch, beschäftigt sich mit der Geschichte der Menschheit in den letzten 500 Jahren. Es ist bei C.H. Beck erschienen, kostet 34 € und ist fast 500 Seiten dick.


Amrith macht deutlich, in welchem Umfang und wie sehr der Mensch das Angesicht der Erde verändert hat. Und wie der Wunsch nach Freiheit und Wohlstand mit der Zerstörung der Natur einherging. Der Autor macht deutlich: Das muss anders werden. Um eine gute Zukunft für alle Menschen zu ermöglichen, bedarf es einer umfassenden Transformation vieler Bereiche.
Er beantwortet nicht, ob dies noch möglich ist. Die Geschichte wird es am Ende zeigen. Das Buch zeigt allerdings auch, wie schnell Veränderungen möglich sind – in alle Richtungen. Seiner Ansicht nach muss Folgendes geschehen: Ein grundlegendes Überdenken unseres Verhältnisses zur Natur ist unerlässlich.
Der Mensch muss die tiefe Abhängigkeit des menschlichen Wohlergehens von der Natur anerkennen und sich von der Vorstellung einer Trennung befreien. Die Phase des "Vergessens" dieser Verbindung muss überwunden werden. Da die Länder und Bevölkerungsgruppen, die am wenigsten zur Umweltkrise beigetragen haben, am stärksten unter ihren Folgen leiden, ist Gerechtigkeit ein zentraler Pfeiler für eine gute Zukunft für alle.
Nachhaltige Praktiken sind in allen Bereichen notwendig. Dies betrifft den Übergang zu erneuerbaren Energien, die Veränderung unserer Konsumgewohnheiten hin zu mehr Mäßigung und die Anwendung nachhaltigerer landwirtschaftlicher und industrieller Methoden.
Kollektives Handeln hält er auf allen Ebenen für entscheidend. Von lokalen Initiativen bis hin zu internationaler Zusammenarbeit müssen Koalitionen gebildet und das Engagement verstärkt werden. Der Kampf gegen Desinformation, insbesondere im Bereich des Klimawandels, ist unerlässlich.
Außerdem ist ein Bewusstseinswandel notwendig. Dies beinhaltet eine tiefere Wertschätzung und Liebe für die Erde sowie die Rechte der Natur, die darauf abzielen, einen Beitrag zur Lösung dieses Problems zu leisten. Die Künste und das Geschichtenerzählen können hierbei eine wichtige Rolle spielen, um andere Vorstellungen vom Zusammenleben mit der Natur zu vermitteln.
Er weist darauf hin, dass die Art und Weise, wie wir die Natur behandeln, von einer frühen Erkenntnis der Abhängigkeit des menschlichen Wohlergehens von der Natur zu einer Phase des „Vergessens“ und der rücksichtslosen Ausbeutung entwickelt hat. Interessant ist seine Beobachtung, dass allerdings schon die „Charter of the Forest“ von 1217 ein Bewusstsein für diese Problematik hatte und dass auch die Earth Charter von 2001 diese Erfordernisse aufgreift.
Beide Dokumente, obwohl durch Jahrhunderte getrennt, stellen die Frage, inwieweit unser Wohlergehen und unsere Freiheiten von der Natur abhängen. Die Charter of the Forest betonte die Gewohnheitsrechte von Menschen und schuf zugleich das Rechtsinstitut des Eigentums an Wald. Die Earth Charter forderte angesichts von Umweltzerstörung und Artensterben eine neue Vision des Lebens auf der Erde, die Umweltrisiken ernst nimmt.
Die Wohlstandsentwicklung der letzten Jahrhunderte beruhte auf Kolonialismus und Ausbeutung. Die asiatische, insbesondere chinesische, Wohlstandsentwicklung lockte europäische Händler und Abenteurer an. Das führte zur Kolonisierung Amerikas und zur Suche nach Ressourcen. Es war auch in anderen Hinsichten ein Wendepunkt: Denn eine kleine Minderheit bekam einen unverhältnismäßigen Einfluss auf die Transformation des Planeten, die mit extremer Ausbeutung und Umweltzerstörung einherging und immer noch einhergeht.
Die industrielle Technologie und die Nutzung fossiler Energien im 19. Jahrhundert ließen die Fähigkeiten des Menschen zur Nutzung der Natur als Ressource und zur politischen Beherrschung von Menschen unermesslich wachsen.
Amrith betont, dass die Fähigkeit, Schaden und Gewalt zuzufügen, möglicherweise die wichtigste „technologische Innovation“ war. Auch durch die Verbreitung tragbarer Feuerwaffen und die Erfindung der Dampfmaschine sowie später des Individualverkehrs.
Der Erste und Zweite Weltkrieg erwiesen sich als massive Beschleuniger der Umweltzerstörung durch globale Ressourcenmobilisierung, enorme Zerstörungskraft und die Schaffung neuer Umweltgefahren (z. B. Feuerstürme).
Vor allem aber die „Große Beschleunigung“ nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte das Antlitz der Erde. Sie war von beschleunigtem Wachstum geprägt. Es wuchsen u.a. die Emissionen, der Ressourcenverbrauch und die Bevölkerung. Die Suche nach Entwicklung im globalen Süden in den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit führte zu einem Wirtschaftswachstum, das mit erheblichen Umweltkosten einherging und einhergeht: die Entwaldung des Amazonas und Südostasiens. Diese „Eile“ führte zu verheerenden Umweltschäden und trug zur Entstehung neuer Krankheiten bei.
Die 1970er und 1980er Jahre stellten einen Wendepunkt dar: Das Aufkommen einer schnell wachsenden globalen Umweltbewegung, lokale Proteste wie der Frauen in Indonesien gegen den Marmorabbau, zeugen von einem zunehmenden Widerstand gegen Umweltzerstörung und einem Engagement für den Schutz lokaler Ökosysteme und kultureller Werte.
Wir stehen heute vor den Herausforderungen und der Notwendigkeit, Gerechtigkeit walten zu lassen. Amrith beschreibt und kritisiert die Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der Umweltkrise und der Wirksamkeit der gegenwärtigen Maßnahmen. Neue Technologien wie KI könnten potenziell zur Bekämpfung von Umweltproblemen beitragen. Sie bergen aber auch das Risiko erhöhten Energieverbrauchs und neuer Ungleichheiten.
Amrith fordert einen grundlegenden Wandel im Bewusstsein, hin zu einer Haltung der Fürsorge und Vorsicht gegenüber der Natur. Er hat die Hoffnung, dass wir auf dem Weg zu einem Bewusstsein sind, das von verschiedenen kulturellen und spirituellen Traditionen und der Liebe zur Erde geprägt sein wird. Die „Eile“ des technischen Fortschritts hält er für gefährlich. An die Stelle überhasteter Lösungen sind langfristige und nachhaltige Ansätze gefragt.
Ob eine gute Zukunft für alle Menschen noch möglich ist, bleibt offen. Die enorme Zerstörungskraft des Menschen und die Überschreitung planetarer Grenzen stellen immense Herausforderungen dar. Dennoch zeigen die Beispiele des Montreal-Protokolls und lokale Erfolge, dass kollektives Handeln und ein entschlossener Wandel positive Auswirkungen haben können.
Amrith hofft, dass die tiefe Liebe vieler Menschen zur Erde der stärkste Antrieb für ihren Schutz sein wird. Es liegt nun an der Menschheit, diese Liebe zu mobilisieren und die notwendigen Veränderungen mit Dringlichkeit und Entschlossenheit voranzutreiben.
Es ist ein Buch, das wegen seines langen Atems wichtig ist. Es hilft zu verstehen, wie die Menschheit in die heutige Lage gekommen ist. Und es macht insofern auch Mut, als es nicht nur negative, sondern auch positive Kipppunkte in der Geschichte der Menschheit beschreibt. Die anwachsende Macht des Menschen, die gegen die Natur gewandt wurde, könnte sich auch ins Positive wenden lassen. Dafür braucht es ein neues Bewusstsein und die Liebe zur Natur. Da die weltweite Bewegung für die Rechte der Natur genau hier ansetzt, ist es aus Sicht der Rezensentin ein starkes Plädoyer für die Rechte der Natur als ein Schlüsselprojekt der Zukunft (und Gegenwart).

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