Rezension zu Bernd Söhnleins Buch „Die Natur im Recht“
Rezension von Dr. jur. Peter C. Mohr
Können wir von den indigenen Völkern einen anderen Umgang mit unserer Mitwelt (Meyer-Abich: Wege zum Frieden mit der Natur) lernen? Die Natur schützen und respektieren? Nur das nehmen, was die Natur liefert, ohne sie auszubeuten?
In Deutschland gibt es seit sicherlich mehr als 1000 Gesetze zum Schutz von Umwelt und Natur. Die Ausbeutung der Natur und das Sterben von Arten nehmen gleichwohl in Deutschland und weltweit unaufhörlich zu. Söhnlein entwickelt in seinem Buch Die Natur im Recht eine Vision einer ökologischen Rechtsordnung, in der der Mensch in einer Rechtsgemeinschaft mit der Natur lebt.
Seit der Antike sieht sich der Mensch berechtigt, mit der Natur nach seinen Interessen umzugehen, sie auszubeuten und zu zerstören. Söhnlein beschreibt – auch rechtsvergleichend – die historische Entwicklung, in deren Verlauf der Mensch die Gemeinschaft mit der Natur verlassen hat und das Leben auf der Erde gestaltet hat, mit auch dramatischen Folgen für Menschen, Tiere und alles Leben. Das geschah in Einklang mit den bisherigen fundamentalen Regeln der Rechtsordnung.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist nach Art. 1 (1) des Grundgesetzes die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Einen auch nur annähernd vergleichbaren Schutz des nicht-menschlichen Lebens gibt es im Grundgesetz nicht – das befördert bei Zielkonflikten zwischen den Interessen des Menschen, einerseits die Natur zu nutzen und andererseits Eingriffe in die Natur zu vermeiden, regelmäßig den Schutz des nicht-menschlichen Lebens abzuwägen. Die Natur hat keine eigenen Rechte, keine eigenen Ansprüche auf eigenen Schutz.
Nach den Ausführungen von Söhnlein kann die Menschenwürde als höchstes Rechtsgut nur geschützt werden, wenn der Natur in der Verfassung „eine herausgehobene Rechtsstellung eingeräumt wird“, sie nicht mehr als eine Sache, sondern als eine ökologische Person mit eigenen Rechtsansprüchen in der Verfassung anerkannt wird. Für das Zusammenleben von Mensch und Natur formuliert Söhnlein eine „Basisnorm“: eine verfassungsrechtliche Grundthese; „Der Mensch ist eingebunden in die Kreisläufe der Natur. Der Natur wohnt eine eigene Würde inne.“ Söhnlein plädiert für das Recht der Natur auf Schutz und Achtung ihrer Kreisläufe.
Der Natur eigene Würde und eigene Rechte anzuerkennen, wird derzeit weltweit diskutiert und ist in vielen nicht-europäischen Ländern anerkannt, in Ecuador seit 2008 in der Verfassung, in Ländern wie Neuseeland oder Indien für Flüsse. Für Deutschland ist es nach Söhnlein Aufgabe des Gesetzgebers, die subjektiven eigenen Rechte der Natur rechtssicher zu regeln. Aus dem Jahresgutachten des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung 1999 (!) entnimmt Söhnlein ein Grundprinzip für das staatliche Handeln als staatlichen Handlungsauftrag.
Söhnlein erörtert, soweit ersichtlich erstmals, Schranken, die sich für das menschliche Handeln ergeben dürften, wenn eigene Rechte der Natur anerkannt werden, die dann die Verfügungsmacht des Menschen über die Natur begrenzen. Der Mensch müsste seinen Anspruch, grenzenlos über die Erdoberfläche zu verfügen, begrenzen. Auch wenn das Montrealer Abkommen und das schon heute verbindliche Nature Restoration Law dies vorsehen, wären eigene Rechte der Natur geeignet, diese Regelungen tatsächlich zu realisieren, sodass sie nicht „zahnlos“ bleiben.
Das Buch von Söhnlein überzeugt durch eine Fülle von Gedanken und Überlegungen, wie sie bisher kaum je zu lesen waren. Es ist vorzüglich geeignet, die Natur im Recht zu würdigen. Es sollte deshalb eine große Leserschaft finden, denn auch der Preis dieses Werkes verlockt dazu, es zu erwerben.